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5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption
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entscheidende Verschiebung des ‚englischen‘ Diskurses eingeläutet, der nun
universelle Hypothesen skeptischer hinterfragte. Wie bereits gesagt (Kap. 4.3),
finden sich seit den 1950er Jahren mehrere wichtige Arbeiten zum allgemeinen
Kunstbegriff, die nicht seine elementaren Bedingungen untersuchen, sondern
selbigen vielmehr auflösen und ihn mit Wittgensteins Leitgedanken der ‚Fami-
lienähnlichkeiten‘ ersetzen.1337 Diese These, die man ebenso „cluster concept“
nennen könnte,1338 möchte keinen essentiellen Kunstbegriff konstruieren, son-
dern erachtet Kunstwerke nur als Beispielfälle eines variablen Konzepts, dessen
einzelne Exemplare über kein universelles Kennzeichen bestimmbar, aber doch
mittelbar ‚verwandt‘ sind: „Statt etwas anzugeben, was allem, was wir Sprache
[Kunst] nennen, gemeinsam ist, sage ich, es ist diesen Erscheinungen gar nicht
Eines gemeinsam, weswegen wir für alle das gleiche Wort verwenden, – sondern
sie sind mit einander in vielen verschiedenen Weisen verwandt.“1339 Wenngleich
Wittgensteins Ansatzpunkt die gegebene Problematik lediglich verschiebt,
da gefragt werden müsste, welche fixierten Kriterien benutzt werden, um ein
Objekt der Familie ‚Kunst‘ angemessen zuzuordnen,1340 stellte dieses Modell
doch eine gewichtige Wegmarke hin zur spezifischen Musikästhetik dar. Wenn
auch zentrale Vertreter der analytischen Kunsttheorie wie Monroe Beardsley,
Harold Osborne und Arthur Danto einen universalen Kunstbegriff weiterhin
vertraten und man somit nicht sagen kann, dass hier ein exklusives Kriterium für
den ganzen Diskurs vorliege,1341 wurde dessen methodische Ausrichtung oftmals
derartig gefasst: „the analysts argued that the essentialist presumption led tradi-
tional aesthetic theories to ignore, conflate, or homogenize obvious differences
between the arts and to speak in terms that are so vague, muddled, and general
as to be able to conceal all those differences in a woolly mist of confusion.“1342
Damit findet sich auch hier eine fruchtbare Bedingung für die Hanslick-Rezep-
tion im englischen Sprachraum, da VMS mit der spezifischen Musikästhetik eine
1337 Ziff, „Task of Defining“ (wie Anm.Â
1207); Gallie, „Contested Concept“ (wie Anm.Â
1207);
Weitz, „Role of Theory“ (wie Anm. 1207); Kennick, „Traditional Aesthetics“ (wie
Anm. 1207); Maurice Mandelbaum, „Family Resemblances and Generalization Con-
cerning the Arts“, in APQ 2/3 (1965), S. 219–228.
1338 Berys Gaut, „‚Art‘ as a Cluster Concept“, in Theories of Art Today, hrsg. von Noël Carroll,
Madison/London 2000, S. 25–44; Levy, „Analytic and Continental“ (wie Anm. 1306),
S. 285; Stephen Davies, „The Cluster Theory of Art“, in BJA 44/3 (2004), S. 297–300.
1339 Ludwig Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, hrsg. von Joachim Schulte, Frank-
furt 2003 (1953), S. 56 (§65).
1340 Mandelbaum, „Generalization“ (wie Anm. 1337); Dickie, Analytic Approach (wie
Anm. 959), S. 69–73; Stephen Davies, „Weitz’s Anti-Essentialism“, in Aesthetics and the
Philosophy of Art: The Analytic Tradition, hrsg. von Peter Lamarque und Stein Haugom
Olsen, Malden/Oxford/Carlton 2004, S. 63–68.
1341 Åhlberg, „Nature and Limits“ (wie Anm. 436), S. 10.
1342 Shusterman, „Analytic Aesthetics“ (wie Anm. 1305), S. 117.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423