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5.1. Was ist analytische Musikästhetik? – Bestimmung, Entwicklung, Methodik
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tung der musikalischen Expressivität – das die anglophone Musikästhetik noch
heute prägt – ähnlich gelagert war.
Hier soll aber keinesfalls suggeriert werden, dass sich Hanslicks Hypothese
mit der skizzierten Diskussion der analytischen Kunsttheorie mühelos ver-
trage. Es wurde bereits deutlich gemacht, dass eine unvermittelte Ãœbertragung
von Hanslicks VMS-Traktat in die bestehende anglophone Kunstdebatte zahl-
reiche gewichtige Fehlschlüsse verursacht hat, welche durch die unangebrachte
Gleichsetzung mit anderen formalen Ansätzen – Bell, Kant, Schenker – erklärt
werden können (Kap.Â
4). Die ahistorische Ausrichtung der analytischen Kunst-
theorie bewirkte folglich, dass Hanslicks Hypothese als moderne Analyse
gelesen worden ist, wodurch Hanslicks Aussagen unkritisch adaptiert wur-
den, ohne ihre historische Verankerung und die hierdurch gegebene Beschrän-
kung gebührend zu reflektieren. So ist das fehlerhafte Verständnis von VMS
als Ontologie der musikalischen Komposition,1389 die um das Jahr 1850 noch
kein Thema war, ein Resultat der ‚englischen‘ Diskussion, wie Pryers Arbeit
bezeugt, welcher einerseits konstatiert, dass Hanslick keine ontologische
Bestimmung äußert, ihm dann aber exakt diese Haltung wenig später wie-
derum unterstellt.1390 Wenn auch korrekt bemerkt wird, dass Hanslicks Argu-
ment die Verbindung von ethischen Momenten und ästhetischen Eigenschaften
konsequent ausschließe,1391 kann dies nur aus ahistorischer Blickrichtung als
direkter Einwand gegen Hanslicks VMS-Traktat gelten, der mit den heutigen
Debatten keineswegs unmittelbar kompatibel ist. Denn weil sich ‚reine‘ Musik
eben erst von der funktionalen Rangordnung der ‚klassischen‘ System ästhetik
gelöst hatte, wollte Hanslick die Differenz von Kunst und Ethik nicht sofort
wieder philosophisch marginalisieren. Heute, nach langer Geltung dieses
puristischen Musikkonzepts, sollte diese Säule ‚des‘ musikalischen Formalis-
mus sicherlich erneut verhandelt werden, um die Veränderungen des Kunstdis-
kurses angemessen einzufangen, denen Hanslicks VMS-Traktat nicht vorweg
gerecht werden konnte.1392 Dieses Beispiel macht somit klar, dass Hanslicks
1389 Siehe hierzu einige Beispiele: Robert S. Hatten, Musical Meaning in Beethoven: Markedness,
Correlation, and Interpretation, Bloomington/Indianapolis 1994, S. 232; Gardner, „Aes-
thetics“ (wie Anm.Â
944), S.Â
251; Harré, „Emotion in Music“ (wie Anm.Â
544), S.Â
116; Alper-
son, „Formalism and Beyond“ (wie Anm.Â
351), S.Â
262; Szabados, Wittgenstein as Tone-Poet
(wie Anm. 238), S. 61–63, 66f. und 88–90.
1390 Anthony Pryer, „Hanslick, Legal Processes, and Scientific Methodologies: How Not to
Construct an Ontology of Music“, in Grimes/Donovan/Marx, Rethinking Hanslick (wie
Anm. 4), S. 52–69, hier S. 52f.
1391 Gaut, Art, Emotion, Ethics (wie Anm. 437), S. 68; Rinderle, Musik, Emotionen, Ethik (wie
Anm. 443), S. 29.
1392 Zur aktuellen Diskussion um Musik und Ethik siehe etwa auch: Aesthetics and Ethics:
Essays at the Intersection, hrsg. von Jerrold Levinson, Cambridge 1998; Marcel Cobussen
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423