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5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption
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MusikÀsthetik weiterhin dominiert, sei eine fast vollstÀndige Wiedergabe der
betreffenden Textpassage eingeschoben:
Es stehen nĂ€mlich die GefĂŒhle in der Seele nicht isolirt da, so daĂ sie sich aus ihr
gleichsam herausheben lieĂen von einer Kunst, welcher die Darstellung der ĂŒb-
rigen GeistesthÀtigkeiten verschlossen ist. Sie sind im Gegentheil abhÀngig von
physiologischen und pathologischen Voraussetzungen, sind bedingt durch Vor-
stellungen, Urtheile, kurz durch eben das ganze Gebiet verstÀndigen und ver-
nĂŒnftigen Denkens, welchem man das GefĂŒhl so gern als ein GegensĂ€tzliches ge-
genĂŒberstellt. [âŠ] Nur auf der Grundlage einer Anzahl â im Moment starken
FĂŒhlens vielleicht unbewuĂter â Vorstellungen und Urtheile kann unser See-
lenzustand sich zu eben diesem bestimmten GefĂŒhl verdichten. Das GefĂŒhl der
Hoffnung ist untrennbar von der Vorstellung eines glĂŒcklicheren Zustandes,
welcher kommen soll und mit dem gegenwÀrtigen verglichen wird. Die Weh-
muth vergleicht ein vergangenes GlĂŒck mit der Gegenwart. Das sind ganz be-
stimmte Vorstellungen, Begriffe, Urtheile. Ohne sie, ohne diesen Gedankenap-
parat kann man das gegenwĂ€rtige FĂŒhlen nicht âHoffnungâ, nicht âWehmuthâ
nennen, er macht sie dazu. Abstrahirt man von ihm, so bleibt eine unbestimmte
Bewegung, allenfalls die Empfindung allgemeinen Wohlbefindens, oder MiĂ-
behagens. [âŠ] Nicht die Art der bloĂen Seelenbewegung, sondern ihr begriffli-
cher Kern, ihr wirklicher historischer Inhalt macht sie zur Liebe. Ihrer Dynamik
nach kann diese ebensogut sanft als stĂŒrmisch, ebensowohl froh als schmerzlich
auftreten und bleibt doch immer Liebe. Diese Betrachtung allein reicht hin, zu
zeigen, daĂ Musik nur jene verschiedenen begleitenden Adjectiva ausdrĂŒcken
könne, nie das Substantivum, die Liebe, selbst. Ein bestimmtes GefĂŒhl (noch
mehr eine Leidenschaft und ein Affect) existirt als solches niemals ohne einen
wirklichen historischen Inhalt, der eben nur in Begriffen dargelegt werden
kann. Begriffe kann die Musik als âunbestimmte Spracheâ zugestandener Weise
nicht wiedergeben â ist nicht die Folgerung psychologisch unablehnbar, daĂ sie
auch bestimmte GefĂŒhle nicht auszudrĂŒcken vermag? Die Bestimmtheit der Ge-
fĂŒhle ruht ja gerade in deren begrifflichem Kern (VMS, S. 43â45).
Diese recht frĂŒhe Version eines kognitivistischen Emotionskonzepts besitzt je-
doch etliche historische Wegbereiter und ist in Hanslicks VMS-Traktat daher
nicht erstmals benutzt worden. FĂŒr Hanslicks Hypothese scheint erneut Her-
barts System zentral, das â wie Landerer anmerkte â einen kognitiven âRe-
duktionismusâ propagiert hat,1395 der âGefĂŒhle[Â ] als Unterklasse von Vorstel-
lungenâ sah und die notwendige VerknĂŒpfung von Emotion und Intellekt ver-
gleichbar konstatierte.1396 Im Hinblick auf die Antike hat wohl auch Aristoteles
eine verwandte Hypothese entwickelt, fĂŒr den spezifische Emotionen aus fol-
1395 Landerer, âForm und GefĂŒhlâ (wie Anm. 290), S. 54.
1396 Landerer, âĂsterreichische Geistesgeschichteâ (wie Anm.Â
18), S.Â
60. Vgl.: SchÀfke, Eduard
Hanslick (wie Anm. 21), S. 13; JĂ€ger, âWeg in die Moderneâ (wie Anm. 91), S. 210â214.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, MusikĂ€sthetik, Musik und GefĂŒhl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die âidealistischeâ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die âösterreichischeâ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang â Hanslicks âtönend bewegte Form[en]â 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik â Ăsthetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ăbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone MusikÀsthetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang â Hanslickâsche Rezensionen in Dwightâs Journal of Music 176
- 4. Was ist Ă€sthetischer Formalismus? â Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- AbkĂŒrzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423