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5.2. Musik, Gefühl, Gedanke – das kognitivistische Emotionskonzept
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Löwen setzt, wird klar, dass auch ‚basale‘ Gefühle von den subjektiven Erfah-
rungen und dem kulturellen Hintergrund des einzelnen Menschen abhängen,
die diverseste emotionale Wirkungen (Vorsicht, Freude, Angst) zeitigen kön-
nen. Bei komplexen Emotionen (Entrüstung, Eifersucht, Stolz etc.) – den „Pla-
tonic attitudes“1408 – wird vollends deutlich, dass James’ Modell nur auf wenige
Gefühle zutrifft, da Stolz nicht durch körperliche Reaktionen erklärt werden
kann, sondern vielmehr evaluative Elemente nötig macht, die ihn überhaupt
entstehen lassen.1409 Wenngleich Emotionen nahezu immer körperliche Teilas-
pekte haben, so Jeanette Bicknell, seien diese nie „sufficient for emotions“.1410
Wenn James und Lange die historischen Gründerväter der physiologischen
Emotionstheorie sind, gilt dies im Fall der kognitiven Hypothese mit Bezug auf
die psychologische Spezialforschung für Stanley Schachter und Jerome Singer,
die erstmals empirisch ‚bewiesen‘, dass emotionale Erregungen kognitiv fun-
diert sind.1411 Ohne dass hier die zweifelhafte Tragfähigkeit ihres ‚notorischen‘
Experiments detaillierter untersucht wird,1412 das methodologisch problema-
tisch war und andernorts umfassend beschrieben wird,1413 muss betont werden,
dass Singer und Schachter eine Schnittstelle für die analytische Philosophie
bedeuteten,1414 die das kognitive Konzept produktiv integrierte, wie Anthony
Kenneys Action, Emotion, and Will aus dem Jahr 1963 belegt. 1415 Mit den frühen
zu eilen, sich in seinen Vermuthungen hier bestätigt, dort angenehm getäuscht zu finden“
(VMS, S. 138). Hanslicks Hypothese ist dann auch von Kivy unter neuem Namen („cher-
ché le thème“ / „game of hide and seek“) benutzt worden: Introduction to Philosophy (wie
Anm. 356), S. 70–79. Siehe dazu aber auch: Zwinggi, Musikalische Expressivität (wie
Anm. 398), S. 138–150.
1408 Julius Moravcsik, „Understanding and the Emotions“, in Dialectica 36/2 (1982), S. 207–
224.
1409 Robert C. Roberts, „What an Emotion is“, in TPR 97/2 (1988), S. 183–209, hier S. 188f.;
Davies, „Emotions Expressed“ (wie Anm. 1406), S. 22; Solomon „Philosophy“ (wie
Anm. 1398), S. 511.
1410 Jeanette Bicknell, Why Music Moves Us, New York 2009, S. X. Vgl.: Gracyk, On Music
(wie Anm. 968), S. 72f.
1411 Stanley Schachter und Jerome Singer, „Cognitive Social and Physiological Determinants
of Emotional States“, in Psychological Review 69/3 (1962), S. 379–399.
1412 Stephen Davies, Musical Understandings and Other Essays on the Philosophy of Music, Oxford/
New York 2011, S. 59.
1413 Günther Rötter, Die Beeinflussbarkeit emotionalen Erlebens von Musik durch analytisches Hören.
Psychologische und physiologische Beobachtungen, Frankfurt u.a. 1987, S. 9f.; Roberts, „Emo-
tion“ (wie Anm.Â
1409), S.Â
206f.; Robert M. Gordon, The Structure of Emotions: Investigations
in Cognitive Philosophy, Cambridge 1987, S. 96–100.
1414 Zur ‚deutschen‘ Rezeption der Schachter-Singer-Theorie siehe aber auch: Helmut
Rösing, „Zur Interpretation emotionaler Erscheinungen in der Musik“, in Dahlhaus,
Musikalische Hermeneutik (wie Anm. 430), S. 175–185; Allesch, Ästhetik (wie Anm. 259),
Kap. 22; Mayring/Ulich, Psychologie der Emotionen (wie Anm. 1404), Kap. 3.
1415 Kivy, Introduction to Philosophy (wie Anm. 356), S. 269.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423