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5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption
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genbringt und sie zu den künstlerischen Errungenschaften rechnen läßt“.1500
Die weiterhin gegebene Verbreitung dieses wenig plausiblen Arguments wird
auch noch von Sharpe bezeugt, der kritisch festhält: „Anxious that music that
they love should not be seen as trivial, otherwise good thinkers make claims
that are hard to understand and, once understood, are seen to be patently
false.“1501 Somit scheint es durchaus treffend, die heutige Debatte über musi-
kalische Expressivität als unmittelbare Fortführung des typischen Dilemmas
der musikalischen ‚profundity‘ einzuschätzen,1502 die im Hinblick auf Kants
Kritik der Urteilskraft bereits erörtert wurde (Kap. 4.1) und die analytische Phi-
losophen anhaltend beschäftigt.1503 Obwohl die ‚deutschen‘ Lösungen dieses
Problems nicht detailliert behandelt werden, kann man bei der ‚englischen‘
Diskussion – die für uns einzig zentral ist – prinzipielle Tendenzen konstatie-
ren, wie der Konnex von Gefühl und Musik jeweils fundiert werden könnte.
Trotz signifikanter Unterschiede zwischen einzelnen Ästhetikern kann eine
betreffende Diskussion zwischen mehreren Elementen des traditionellen Musi-
kentwurfs situiert werden: Komponist, Kunstwerk, Rezipient. Diesen Kon-
zepten entsprechen auch drei parallele Entwürfe für den Konnex von Gefühl
und Musik, die verschieden kombiniert werden können: ‚possession‘, ‚expres-
sion‘, ‚arousal‘. Musikalische Expressivität kann also als die Entäußerung des
Komponisten (‚expression‘), als Eigenschaft des Kunstwerks (‚possession‘) und
als Reaktion des Zuhörers (‚arousal‘) gefasst werden.1504 Neben diesen monis-
tischen Konzeptionen, die einzelne Elemente als Basis haben, können selbige
jedoch nuanciert verknüpft werden:1505 Das Gefühl des individuellen Kom-
ponisten kann etwa als direkter Ausdruck, als subjektiv erfahrene, aber erst
retrospektiv konzipierte oder auch als fremde Emotion gefasst werden, die
der Komponist bewusst gestaltet. Die Idee der künstlerischen Expressivität als
1500 Moos, Kant bis Hartmann (wie Anm. 104), S. 222.
1501 Sharpe, Philosophy Introduction (wie Anm. 444), S. 97f.
1502 Für einen jeweils neueren Beispielfall dieser weiter gängigen Strategie siehe etwa auch:
Alan H. Goldman, „Value“, in Gracyk/Kania, Philosophy and Music (wie Anm.Â
155), S.Â
155–
164, hier S. 155; Rinderle, Musik, Emotionen, Ethik (wie Anm. 443), S. 190.
1503 Jerrold Levinson, „Musical Profundity Misplaced“, in JAC 50/1 (1992), S. 58–60; Ridley,
Music, Value, Passions (wie Anm. 1077), S. 132–165; Kivy, Essay in Differences (wie
Anm.Â
995), S.Â
140–178; Stephen Davies, „Profundity in Instrumental Music“, in BJA 42/4
(2002), S. 343–356; Peter Kivy, „Another Go at Musical Profundity: Stephen Davies and
the Game of Chess“, in BJA 43/4 (2003), S. 401–411.
1504 Zangwill, „Against Emotion“ (wie Anm.Â
396), S.Â
32; Ahonen, Musical Communication (wie
Anm. 239), S. 66; Rinderle, Expressivität (wie Anm. 674), Kap. 2.
1505 Für eine ausführliche Untersuchung von subtileren Spielarten siehe vor allem: Levinson,
Pleasures of Aesthetics (wie Anm. 1025), S. 90–125, der die folgenden Kategorien mit meh-
reren jeweiligen Versionen behandelt: „appearance-of-expression-based“, „evocation-based“,
„judgment-based“, „make-believe-based“, „metaphor-based“.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423