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5.2. Musik, Gefühl, Gedanke – das kognitivistische Emotionskonzept
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immanente Eigenschaft der musikalischen Komposition kann etwa autonom
bestehen oder auch mit der ‚arousal theory‘ problemlos verbunden werden.
Als die beiden besten Beispiele können Peter Kivy und Stephen Davies gelten
(Kap. 5.3), die ein ähnliches Konzept von ‚possession‘ konstruieren, bei dem
Kivy die affektive Erregung negierte (siehe unten), Davies selbige jedoch als
„musical contagion“ anerkennt, die auf eine „mirroring response“ rekurrie-
re.1506 Rinderles Schematik, die ‚kausale‘ Theorien und ‚semantische‘ Kon-
zeptionen voneinander unterscheidet,1507 weist dann noch auf das geradezu
universale „Transmissionsmodell“ hin1508 – z.B. Deryck Cooke und Tolstois
Analyse „Was ist Kunst?“1509 –, das alle drei erwähnten Parameter beinhaltet:
Der Ausdruck des Künstlers wird hier auf die spezifische Komposition über-
tragen, die bei dem idealen Hörer eine analoge Reaktion erzeugt etc. Mit den
genannten Beispielen wurde jedoch einzig ein Teil der möglichen Unterarten
von musikalischer Expressivität charakterisiert. Im Weiteren sind die drei skiz-
zierten Basismodelle und die Auswirkung von Hanslicks Argument auf die
betreffende anglophone Musikdebatte ausführlich zu analysieren. Die soge-
nannte ‚possession theory‘, die man aus Hanslicks VMS-Traktat unmittelbar
deduzieren kann, wird im Hinblick auf die komplexen Querbezüge zu rezen-
ten Autoren im letzten Kapitel erörtert, während nun die ‚kausalen Theorien‘
im Zentrum stehen.
Einleitend muss aber betont werden, dass beide Ansätze nur als theoretische
Erklärungen von musikalischer Expressivität dienen sollen und sie somit keine
universelle Bestimmung der Klasse ‚Kunst‘ sind, was bei ‚expression‘ mehrfach
versucht wurde. Wie bereits gesagt (Kap. 4.3), kann eine derartige Definition –
Kunst ist Ausdruck von Gefühlen –, die die analytische Diskussion erstaunlich
lange dominierte,1510 sogleich dadurch widerlegt werden, dass man emotionale
Äußerungen heranzieht, die keine künstlerischen Gegenstände repräsentieren:
1506 Davies hat den praktischen Mechanismus der „mirroring response“ jedoch niemals
erhellt, da er das der empirischen Psychologie überantwortet: Davies, Musical Essays (wie
Anm. 1412), S. 47 und 64. Vgl.: ders., „The Expression of Emotion in Music“, in Mind 89
(1980), S.Â
67–86, hier S.Â
80; „Hard Case“ (wie Anm.Â
1290), S.Â
186f.; „Emotions Expressed“
(wie Anm. 1406), S. 35–38.
1507 Rinderle, Expressivität (wie Anm.Â
674), S.Â
37. Vgl.: Laird Addis, Of Mind and Music, Ithaca/
London 1999, Kap. 1; Bicknell, Music Moves (wie Anm. 1410), S. XIf.
1508 Rinderle, Expressivität (wie Anm. 674), S. 58. Vgl.: Carroll, Philosophy (wie Anm. 1211),
S. 65; Aaron Ridley, „Expression in Art“, in Levinson, Handbook of Aesthetics (wie
Anm. 384), S. 211–227, hier S. 212.
1509 Deryck Cooke, The Language of Music, Oxford/New York/Toronto 1959; Leo Tolstoi,
„Was ist Kunst?“, übers. von Günter Dalitz, in ders., Ästhetische Schriften, hrsg. von Eber-
hard Dieckmann und Gerhard Dudek, Berlin 1984, S. 39–232.
1510 John Hospers, „Concept of Artistic Expression“, in PAS 55 (1955), S. 313–344, hier S. 313.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423