Page - 294 - in Re-Reading Hanslick's Aesheticts - Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
Image of the Page - 294 -
Text of the Page - 294 -
5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption
294
Gefühlsausbruch des individuellen Komponisten ab, sondern vielmehr – wie
Hanslick ebenfalls bemerkte – von der affektiven Disposition des gegebenen
Kunstwerks, die mit dem Rekurs auf die Intention des Künstlers keinesfalls zu
begründen ist. Davies bringt hierzu das Beispiel des griechischen Schauspie-
lers, der die dargestellte Traurigkeit nicht durch „venting“ äußerte, sondern
die traditionelle Gesichtsmaske präsentierte: „Such an act does indeed express
her emotion, and does so in an elegant and sophisticated manner. But she suc-
ceeds only because the mask has an expressive character independent of her
use of it, so we cannot explain how it has that character by reference to her act
of expression.“1517 Sobald man die musikalische Expressivität als immanente
Eigenschaft des jeweiligen Musikstücks konzipiert, kann auch der genuinen
‚expression theory‘ keine systematische Tragfähigkeit zugesprochen werden,
zumal deren zentrale Annahme die eigentliche Problematik schlicht verfehlt.
Wenn man nun Hanslick Einwände zur ‚arousal theory‘1518 – „Where E is
an emotion, M is the music, and L is the listener […]: M is E = M evokes E in
L“1519 – genauer bedenkt, muss zuerst erneut betont werden, dass von ihm die
affektive Wirkung von ‚reiner‘ Musik niemals negiert wurde. Hanslick zwei-
felte lediglich ihre interpersonelle Verbindlichkeit und ästhetische Bedeutung
an, da die „Erkenntniß“ eines Gegenstands sowie dessen subjektive Rezeption
sich grundlegend unterscheiden: Die ‚arousal theory‘ ist demnach „vielmehr
Gegenstand der Psychologie als der Aesthetik. Sei die Wirkung der Musik so
groß oder so klein als sie wolle – von ihr darf man nicht ausgehen, wenn man
das Wesen dieser Kunst zu erforschen unternimmt“ (VMS, S.Â
34).1520 Die „Exis-
tenz dieser Wirkung“ ist für Hanslick „unleugbar, wahrhaft und echt“, man
muss aber zwei Probleme akkurat trennen: welche spezifische Verbindung von
1517 Davies, Musical Essays (wie Anm. 1412), S. 23. Für einige weitere Beispiele, die Davies’
Einwand ebenfalls vertreten, siehe hier etwa: Langer, New Key (wie Anm. 770), S. 173–
180; Beardsley, Problems in Criticism (wie Anm.Â
1245), S.Â
326–332; Davies, „Theory Again“
(wie Anm. 1514), S. 156–160; Goldman, „Emotions“ (wie Anm. 1465), S. 59f.; Sharpe,
Humanism (wie Anm.Â
1513), S.Â
8f.; Matravers, „Expression and Emotion“ (wie Anm.Â
1482),
S. 354; Zangwill, „Against Emotion“ (wie Anm. 396), S. 38; Kivy, Ancient Quarrel (wie
Anm. 5), S. 250; Kania, „Music“ (wie Anm. 450), Kap. 3.1; Gracyk, On Music (wie
Anm. 968), S. 78f.
1518 Als besonders illustrative Fallbeispiele vgl.: John Nolt, „Expression and Emotion“, in BJA
21/2 (1981), S. 139–150; Peter Mew, „The Expression of Emotion in Music“, in BJA 25/1
(1985), S.Â
33–42. Beide Essays wurden speziell kritisiert: Robert Stecker, „Nolt on Expres-
sion and Emotion“, in BJA 23/3 (1983), S. 234–239; Ridley Aaron, „Mr. Mew on Music“,
in BJA 26/1 (1986), S. 69–70. Vgl.: Davies, Musical Meaning (wie Anm. 450), S. 188–192.
1519 Ebda., S. 149. Vgl.: Kivy, Corded Shell (wie Anm. 673); ders., Sound Sentiment (wie
Anm. 414), S. 22. Bis S. 149 sind Kivys Bücher ident.
1520 Für Hanslicks Beziehung zur Psychologie siehe etwa auch: Robert Tallant Laudon, „The
Elements of Expression in Music: A Psychological View“, in IRASM 37/2 (2006), S.Â
123–133.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423