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5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption
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Gegenstandes]“ erfolge, „which becomes merely a medium or means for con-
veying feeling from artist to spectator“, müssen kausale Theorien skeptisch
gesehen werden, weil dies bereits anzeige, „that something has gone wrong
with the analysis“.1531 Denn wenn man musikalische Expressivität sowie deren
ästhetische Bedeutung nur aus der Reaktion des Zuhörers folgern möchte,
gerät jedes Objekt, das die gleiche Wirkung erzeugt, zum Substitut der betref-
fenden Komposition, die nun vollständig irrelevant ist: Hanslick spricht hier-
bei vom „Schwefeläther“ (VMS, S. 129), der analytische Musikdiskurs von der
weniger präzisen ‚feeling drug‘.1532
Auch hier ist die Redundanz der ‚arousal theory‘ das zentrale Problem, da
emotionale Reaktionen im objektiven Gegenstand verankert werden müs-
sen, sofern dieser ästhetisch bedeutend sein soll. Das bedingt jedoch weiters,
dass affektive Parameter faktisch gegeben und von der subjektiven Hörleis-
tung unabhängig sind. Dieses Problem betrifft jedoch nur die Form der Erre-
gungs-Hypothese, die als Begründung von Expressivität gefasst werden möchte.
Wenn mit ihr die affektive Wirkung erklärt werden soll, die ‚arousal theory‘
also hauptsächlich psychologisch gerät, fällt zwar diese Hürde, aber auch der
Anspruch auf ästhetische Objektivität in Hanslicks Verständnis weg, da sie das
gegebene Kunstwerk überspringt.1533 Doch auch wenn man die ‚arousal the-
ory‘ als Grundlegung von emotionaler Ergriffenheit sehen möchte, findet sich
eine gravierende Problematik, welche bereits Hanslicks VMS-Traktat kritisch
benennt: Die Idee „[e]ine düstere Musik erregt Gefühle der Trauer in uns“ ist
für ihn durchweg inkorrekt, denn wenn „jedes winselnde Adagio die Macht
haben sollte, uns traurig zu machen, wer möchte denn länger so leben?“ Ein
gelungenes Musikstück gefällt immer auch dann, wenn es „alle Schmerzen
des Jahrhunderts zum Gegenstand hätte“ (VMS, S. 140). Die ‚arousal theory‘
lässt somit offen, wieso Hörer auch eine ‚schmerzliche‘ Komposition mehr-
1531 Edward S. Casey, „Expression and Communication in Art“, in JAC 30/2 (1971), S. 197–
207, hier S. 199. Vgl.: Wilkinson, „Art, Emotion, Expression“ (wie Anm. 1027), S. 184f.;
Neill, „Art and Emotion“ (wie Anm.Â
996), S.Â
422; Ridley, „Expression“ (wie Anm.Â
1508),
S. 212f.
1532 Zur ‚englischen‘ Verbreitung von Hanslicks Argument siehe hier etwa: Kivy, Sound Sen-
timent (wie Anm.Â
414), S.Â
218, 222 und 242; Ridley, Music, Value, Passions (wie Anm.Â
1077),
S. 38; Davies, Musical Meaning (wie Anm. 450), S. 321f.; Bowman, Philosophical Perspectives
(wie Anm. 678), S. 144; Matravers, Art and Emotion (wie Anm. 676), S. 169–185; Madell,
Music and Emotion (wie Anm. 1465), S. 33–35; Robinson, Deeper Reason (wie Anm. 1283),
S. 351, 393 und 397; Ahonen, Musical Communication (wie Anm. 239), S. 90; Nussbaum,
Representation (wie Anm. 1406), S. 190f.; Ball, Music Instinct (wie Anm. 637), S. 258.
1533 Kivy, Sound Sentiment (wie Anm. 414), S. 212–214; Trivedi, „Funerary Sadness“ (wie
Anm. 1288), S. 261–263; Davies, „Philosophical Perspectives“ (wie Anm. 1290), S. 178f.;
Kania, „Music“ (wie Anm. 450), Kap. 3.1; Gracyk, On Music (wie Anm. 968), S. 93f.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423