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5.3. Enhanced Formalism – Hanslick, Davies, Kivy und die Kontur-Theorie
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sind.1553 Beide Ideen haben einen verwandten Theoriekern,1554 der nun mit der
Lesart Kivys genauer erläutert wird, der oft als der zentrale Vertreter genannt
wird,1555 was insofern abwegig ist, als Davies den ‚enhanced formalism‘ energi-
scher rechtfertigt als Kivy, der ihn im Jahr 2002 partiell aufgab1556 und musika-
lische Expressivität als „black box“ sah.1557 Das jeweils initiale Problem besteht
fraglos darin, dass auch ‚reine‘ Musik meist affektiv rezipiert und entsprechend
charakterisiert wird, was für die anglophone Kunsttheorie prekär scheint, da
Musik als unbelebter Gegenstand – als „inanimate and insentient“ – nicht selbst
mentale Zustände haben könne.1558 Es wurde bereits gezeigt (Kap. 5.2), dass
Kivy die bestehenden Erklärungen dieses Phänomens entschieden zurück-
wies. Welche Lösung sieht Kivys Modell nun für das Problem von Gefühl und
Musik vor? Die entscheidende systematische Neuausrichtung erfolgte hierbei
primär durch Kivys Rekurs auf Tormeys Trennung der meistens synonym ver-
wendeten Leitkonzepte ‚express‘ und ‚expressive of‘.1559 Während Ersterer mit
der intentionalen Affektsituation des äußernden Individuums verbunden ist –
damit meine Tränen als direkter Ausdruck gefasst werden können, muss eine
solche Stimmung wahrhaft vorliegen –, fokussiert Zweiterer auf phänomenale
Eigenschaften von einzelnen Emotionen, wie die Trauer des Mimen, der die
von ihm dargestellte Gefühlslage nicht wirklich verspüren muss: Nach Kivys
inzwischen berühmtem Fallbeispiel des Bernhardiners, das seinem Ansatz den
weniger galanten Begriff ‚doggy theory‘ verlieh:1560
The Saint Bernard has a sad face […]. We do not mean to say by this that the
Saint Bernard’s face expresses sadness. For certainly the Saint Bernard is not
always sad. And for her face to always be appropriately described as expressing
sadness, that is just what would have to be the case: the poor creature would
1553 Beide haben zudem einen MA in Musikwissenschaft. Davies’ Diplom ist mir im Juni 2014
persönlich mitgeteilt worden, Angaben zu Kivys Studien findet man bei: Naomi Cum-
ming, „Kivy, Peter“, in New Grove², London 2001, Bd. 13, S. 644.
1554 Wann Davies’ Theorie erstellt worden ist und wieso auch bei ihm ein ‚Bassett Hound‘
zentral werden konnte, erklärt dieser später selbst: Musical Meaning (wie Anm. 450),
S. 227; Themes in the Philosophy of Music, Oxford/New York 2003, S. 2f.
1555 Siehe dazu auch seinen Eintrag im New Grove: „A modified form of his position has been
taken up by Stephen Davies.“ Cumming, „Kivy, Peter“ (wie Anm. 1553), S. 644.
1556 Kivy, Introduction to Philosophy (wie Anm. 356), S. 40–48.
1557 Kivy, „Deeper Emotion“ (wie Anm. 1290), S. 300f.
1558 Saam Trivedi, „Resemblance Theories“, in Gracyk/Kania, Philosophy and Music (wie
Anm. 155), S. 223–232, hier S. 223.
1559 Alan Tormey, The Concept of Expression: A Study in Philosophical Psychology and Aesthetics,
Princeton 1971, Kap. 2. Siehe dazu auch: Ridley, „Expression“ (wie Anm. 1508), S. 213–
218; Robinson, Deeper Reason (wie Anm. 1283), S. 240–244.
1560 Ebda., S. 293; dies., „Music and Emotions“ (wie Anm. 1283), S. 400; dies., „Expression
Theories“, in Gracyk/Kania, Philosophy and Music (wie Anm. 155), S. 201–211, hier S. 201.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423