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5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption
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Musikalische Expressivität stellt somit keinen ‚repräsentierten‘, ‚ausgedrück-
ten‘ oder auch ‚empfangenen‘ Gefühlsgehalt der musikalischen Komposition
dar, sondern vielmehr eine immanente Eigenschaft: „The claim is not that mu-
sic somehow refers beyond itself to occurrent emotions; music is not an iconic
symbol of emotions as a result of resembling their outward manifestations.
Rather, the claim is that the expressiveness is a property of the music itself.“1580
Hierbei scheint zentral, dass dies eben kein repräsentierendes Verweisverhält-
nis ist, was Ähnlichkeit und Darstellung als reziproke Beziehung ausschließt:
Wenn A B ähnelt, ähnelt B A, doch wenn A B repräsentiert, repräsentiert B A
keineswegs automatisch, was man etwa daran sieht, dass sich Zwillinge äh-
neln, aber einander nicht abbilden.1581 Dieser Verweis wird auch von Hanslick
erbracht,1582 der ebenfalls kritisiert, dass musikalische Expressivität darstellend
aufgefasst wurde: „Etwas ‚darstellen‘ involvirt immer die Vorstellung von zwei
getrennten, verschiedenen Dingen, deren eines erst ausdrücklich durch einen
besonderen Act auf das andere bezogen wird.“1583 Er bringt hierzu ein Beispiel,
das für spätere Belange relevant ist: „Die Rose duftet, aber ihr ‚Inhalt‘ ist doch
nicht ‚die Darstellung des Duftes‘, der Wald verbreitet schattige Kühle, allein
er stellt doch nicht ‚das Gefühl schattiger Kühle‘ dar“ (VMS, S. 16). Nach Kivy
habe Hanslick hier aber dezidiert abgelehnt, dass auch Musik inhärent expres-
siv sei: „What ‚enhanced formalism‘ is, then, is an enhancement of Hanslick’s
formalism, allowing it to include emotive properties as perceptual properties
of the music.“1584 Ist das aber alles? Es wurde zuvor mehrfach angedeutet, dass
diese abgeänderte Konzeption von musikalischer Expressivität als analytische
Erweiterung von Hanslicks Hypothese zur ‚Isomorphie‘ von Gefühl und Mu-
sik gelesen werden könnte, was von Kivy offenbar bestätigt wird. Ich denke
Emotion“, in BJA 39/3 (1999), S. 273–281, hier S. 275–278; Robinson, „Expression Theo-
ries“ (wie Anm. 1560), S. 201–204; Trivedi, „Resemblance Theories“ (wie Anm. 1558),
S. 224–229.
1580 Davies, „Philosophical Perspectives“ (wie Anm. 1290), S. 181. Dieser Punkt ist für Peter
Kivy genauso essentiell: Corded Shell (wie Anm. 673), S. 64–66.
1581 Urmson, „Representation“ (wie Anm. 1016), S. 134. Siehe hierzu ebenso bereits: Good-
man, Languages (wie Anm. 1352), S. 4.
1582 Zu Kivys Bezug auf Hanslicks Argument siehe vor allem: Wilfing, „Tonally Moving
Forms“ (wie Anm. 372).
1583 Kivy und Davies vertreten ebenfalls, dass künstlerische Repräsentation ohne eine aukto-
riale Intention niemals gedacht werden könnte: Kivy, Sound and Semblance (wie Anm.Â
594),
S. 212–215; Davies, Musical Meaning (wie Anm. 450), Kap. 1.
1584 Kivy, Ancient Quarrel (wie Anm. 5), S. 98. Vgl.: „I have come to see myself as a formalist
of Hanslick’s stripe […] the only difference being that I believe expressive properties are
some of the musical properties that musical structure can possess, and Hanslick – as I read
him – believed that music cannot possess expressive properties.“ Kivy, Sound Sentiment
(wie Anm. 414), S. 187.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423