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5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption
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is restricted […]: music presents the outward features of sadness or happiness in
general.“1629 Dass aber komplexe kognitive Regungen im ‚enhanced formalism‘
nicht oder lediglich begrenzt abgebildet werden können, ist wie im Fall der
ersten Kritik von Robinson erst dann wirklich relevant, wenn man die Dar-
stellung von Emotionen entschieden verteidigen will. Für Kivy und Hanslick,
die die fragwürdige Plausibilität eines derartigen Verfahrens kritisierten, muss
Robinsons Widerrede aber eine externe ‚Kritik‘ und ein triviales ‚Problem‘
bleiben, das sich erst gar nicht stellt.1630
Dies kann aber nicht für das triftigste Problem des ‚enhanced formalism‘
gelten, das schon von Hanslick erkannt worden war und das ihn wohl auch
davon abhielt, seine rudimentäre Kontur-Theorie auszubauen: Ich meine seine
Ansicht, dass musikalische Expressivität nicht objektiv geartet sei und sie daher
keine interpersonelle Verbindlichkeit habe oder (englisch gefasst) das ‚argument
from disagreement‘. Der Ausdruck von Gefühlen, den Hanslick als immanent
konzipiert, ist „kein nothwendig causaler. Unter verschiedenen Nationalitäten,
Temperamenten, Altersstufen und Verhältnissen, ja selbst unter Gleichheit
aller dieser Bedingungen bei verschiedenen Individuen wird dieselbe Musik
sehr ungleich wirken“ (VMS, S. 35). Dieser Umstand hänge nicht nur von der
persönlichen Befindlichkeit und den musikalischen Vorkenntnissen des rezi-
pierenden Individuums ab, sondern betreffe ebenso die Forschung und die von
ihr gepflegten Narrative, wie Hanslick mit dem Beispiel von Mozart und Beet-
hoven verdeutlicht: „Wir begreifen heute oft kaum, wie unsere Groß eltern diese
Tonreihe für einen adäquaten Ausdruck gerade dieses Affekts ansehen konnten.
[…] Wie viele Werke von Mozart erklärte man zu ihrer Zeit für das leiden-
schaftlichste, feurigste und kühnste, was überhaupt an musikalischen Stim-
mungsbildern möglich schien.“ Hanslick erläutert, dass Haydn als Muster von
„reine[m] Wohlsein“ mit Mozarts Werken unmittelbar kontrastiert wurde,
aber wenig später „entschied man genau so zwischen Beethoven und Mozart.
Die Stelle Mozarts als Repräsentanten der heftigen, hinreißenden Leidenschaft
nahm Beethoven ein, und Mozart war zu der olympischen Classicität Haydns
avanciert“ (VMS 61881, S. 32f.). Nach Cook stellt Hanslicks Argument jedoch
darauf ab, dass musikalische Expressivität und die Schönheit des Kunstwerks
1629 Davies, Musical Meaning (wie Anm. 450), S. 239.
1630 In Davies’ Konzept findet sich dazu eine bedeutende Abweichung: Die Emotion ‚Hoff-
nung‘ kann zwar von ‚reiner‘ Musik mitnichten repräsentiert, aber durch selbige indirekt
angeregt werden, wenn sie von der direkten Abfolge von einfachen Emotionen nahegelegt
wird: Davies, „Emotion in Music“ (wie Anm.Â
1506), S.Â
78. Davies’ Antwort ist für Jenefer
Robinson aber letztendlich ungenügend, da für sie wie für Hanslick Hoffnung ‚rational‘
grundiert ist: Robinson, Deeper Reason (wie Anm. 1283), S. 307–309.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423