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5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption
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than like skyscrapers. But this does not mean that the blots objectively signify
butterflies. Similarly for music.“1667
Dieses Beispiel und die behandelten Experimente belegen folglich, dass
Hanslicks Argument zur unzulänglichen Verbindlichkeit von musikalischer
Expressivität wohl doch nicht derart ‚schlecht‘ war, wie ‚enhanced formalists‘
aus verständlichen Beweggründen urteilen mussten, was Hanslicks Vorbe-
halt gegen einen in VMS rudimentär gegebenen ‚enhanced formalism‘ ebenso
erhellt. Es legt aber auch nahe, dass die Hanslick-Rezeption im englischen
Sprachraum wohl noch wesentlich komplexer beschaffen ist, als eingangs ver-
mutet wurde. Das 4. Kapitel der vorliegenden Untersuchung demonstriert,
wie man Hanslicks Argument in anglophonen Diskussionen mit den formalen
Theorien diverser weiterer Autoren verzahnt hat – Kant und Schenker für die
Musikwissenschaft, Kant und Bell für die Musikphilosophie –, was die Einsei-
tigkeit der Auslegungen seines ästhetischen Standpunkts durch kritische For-
scher wie McClary, Kerman, Robinson und Levinson hinlänglich präzisieren
konnte. In diesem letzten Kapitel wurde aber klar, dass auch jene analytischen
Philosophen, die die eigene Position als historische Fortsetzung des „rigorous
formalism“ verstanden,1668 zu unzweifelhaft überzogenen Auffassungen von
Hanslicks Hypothese tendierten, die aus allgemein befestigten Deutungen
folgt (Kap. 2.3). Die hiermit erzählte Geschichte der Hanslick-Rezeption ist
deshalb weniger die Geschichte der Rezeption einer ästhetischen Abhandlung,
sondern vielmehr die Geschichte der Diskurse und Narrative, in denen sel-
bige oft als Prototyp eines historisch überlebten sowie prinzipiell verkürzten
Musikbilds firmierte. Obwohl Hanslick ein Fixpunkt des universitären Musik-
studiums im englischen Sprachraum ist, war die Auslegung seines Arguments
keinesfalls kanonisch, sondern zumeist von der theoretischen Prädisposition
und den speziellen Interessen einzelner Forscher abhängig, was die diversen
Facetten der Deutung von VMS historisch beförderte.1669 Um die unterschied-
lichen Interpretationen von Hanslicks Argument, die von Forscher zu Forscher
inhaltlich abweichen und die oft mit komplexen Narrativen verbunden sind,
systematisch darzustellen, war die genaue Analyse von kollektiven Deutun-
1667 Ebda. Für die kritische Prüfung dieser zweifelhaften Experimente, die bei analytischen
Philosophen dennoch beliebter werden (Robinson, Deeper Reason [wie Anm. 1283],
Kap. 12 und Kap. 13), siehe etwa auch: Nick Zangwill, „Empirical Approaches to Music
and Emotion: A Survey and Methodological Reflections“, in O Que Nos Faz Pensar 32
(2014), S.Â
99–107. Vgl.: Appelqvist, „Kantian Ethos“ (wie Anm.Â
381), S.Â
78f.; dies., „Music
Wine“ (wie Anm. 392), S. 24f.
1668 Kivy, Ancient Quarrel (wie Anm. 5), S. 64. Vgl.: Hatten, Meaning in Beethoven (wie
Anm. 1389), S. 231f.
1669 Als direktes Zeugnis der studentischen Pflichtlektüre siehe hier etwa: Davies, Themes in
Music (wie Anm. 1554), S. 2; Taruskin, „What Else?“ (wie Anm. 1139), S. 289.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423