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III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment
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wurde beispielsweise Anton von Marczibányi und dem Grafen Leopold Nadásdy
expressis verbis aberkannt: Marczibányi war bereits wegen „Vorschubleistung
der Revolution“ zu 20.000 Gulden Strafe und Nadásdy wegen „Teilnahme am
bewaffneten Aufruhr“ zu vierjährigem Festungsarrest und einer Geldstrafe von
100.000 Gulden verurteilt worden.105 Der Obergespan (höchster Beamter eines
Komitats) des Zipser Komitats, Ladislaus Csáky, wurde wegen „Beteiligung an der
Revolution“ in contumaciam zum Tod verurteilt.106 Doch war die Zahl der Be-
amten, die „Anhänglichkeit“ an Kossuth gezeigt hatten, so groß, dass manche im
Amt belassen werden mussten, damit die Geschäfte weitergeführt werden konn-
ten.107 Schon bald erwies es sich aber, dass die Kriegsgerichtsprozesse in der Mon-
archie, vor allem im Lombardisch-Venetianischen Königreich und in Ungarn, und
die ungerecht verhängten Urteile für die Regierung sehr unangenehm wurden. Sie
erregten Aufmerksamkeit in ganz Europa und schadeten dem Ansehen der Re-
gierung in der Bevölkerung, vor allem eben in Ungarn und Lombardo-Venetien.
Die Protokolle des österreichischen Ministerrates der Ministerien Schwarzen-
berg, selbst noch jene der ersten Jahre des Ministeriums Buol-Schauenstein, legen
Zeugnis für die Bemühungen ab, dem Dilemma zu entkommen. Neue – mildere
– Richtlinien wurden erlassen, Begnadigungen ausgesprochen – beispielsweise im
Fall des oben erwähnten ehemaligen Kämmerers Leopold Graf Nadásdy oder des
ehemaligen Obergespans der Zips Ladislaus Graf Csáky.108 Unter anderem verfiel
man auf den obskuren Ausweg, verurteilte italienische Revolutionäre und deren
Familien als Siedler oder Fremdenlegionäre in Algerien an die französische Re-
gierung zu „verkaufen“ – für 2.000 Gulden pro Mann bzw. 3.000 Gulden pro
Familie, eine Maßnahme, deren Ausweitung auch auf Ungarn neben einer Depor-
tation nach Amerika erwogen wurde – nur damit die Aufständischen nicht vor die
Gerichte gestellt werden mussten.109
Die Angst des Kaisers vor unbotmäßigen Beamten und sein Zugriff auf das
Beamtentum reichten noch etliche Jahre nach der Revolution so weit, dass er von
105 Ministerratsprotokoll vom 26. Juli 1849/II, im besonderen Anm. 7, ÖMR., Abteilung II: Das
Ministerium Schwarzenberg, Band 1: 5. Dezember 1848–7. Jänner 1850, bearbeitet und eingelei-
tet von Thomas Kletečka (Wien 2002).
106 Ministerkonferenzprotokoll vom 1. Juni 1852/X, ÖMR. III/1.
107 Siehe beispielsweise Ministerratsprotokoll vom 15. Mai 1849/XI, 10. Juni 1849/III, 21. Juli/VII,
26. Juli/II, 17. August 1849/IV und 17. November 1849/III, ÖMR. II/1.
108 Ministerratsprotokoll vom 15. April 1850/III, ÖMR. II/2 und vom 6. Juni 1852/X, ÖMR. III/1.
109 Ministerratsprotokolle vom 19. Dezember 1849/VII, vom 28 Jänner 1850/V und vom 5. April
1850/III, ÖMR. II/1 und ÖMR. II/2; siehe auch Kletečka und Schmied-Kowarzik, Einleitung zu
Ministerratsprotokolle II/2, S. XXXIV f.
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Josephinische Mandarine
- Subtitle
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Author
- Waltraud Heindl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 336
- Keywords
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277