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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 62 wurde beispielsweise Anton von Marczibányi und dem Grafen Leopold Nadásdy expressis verbis aberkannt: Marczibányi war bereits wegen „Vorschubleistung der Revolution“ zu 20.000 Gulden Strafe und Nadásdy wegen „Teilnahme am bewaffneten Aufruhr“ zu vierjährigem Festungsarrest und einer Geldstrafe von 100.000 Gulden verurteilt worden.105 Der Obergespan (höchster Beamter eines Komitats) des Zipser Komitats, Ladislaus Csáky, wurde wegen „Beteiligung an der Revolution“ in contumaciam zum Tod verurteilt.106 Doch war die Zahl der Be- amten, die „Anhänglichkeit“ an Kossuth gezeigt hatten, so groß, dass manche im Amt belassen werden mussten, damit die Geschäfte weitergeführt werden konn- ten.107 Schon bald erwies es sich aber, dass die Kriegsgerichtsprozesse in der Mon- archie, vor allem im Lombardisch-Venetianischen Königreich und in Ungarn, und die ungerecht verhängten Urteile für die Regierung sehr unangenehm wurden. Sie erregten Aufmerksamkeit in ganz Europa und schadeten dem Ansehen der Re- gierung in der Bevölkerung, vor allem eben in Ungarn und Lombardo-Venetien. Die Protokolle des österreichischen Ministerrates der Ministerien Schwarzen- berg, selbst noch jene der ersten Jahre des Ministeriums Buol-Schauenstein, legen Zeugnis für die Bemühungen ab, dem Dilemma zu entkommen. Neue – mildere – Richtlinien wurden erlassen, Begnadigungen ausgesprochen – beispielsweise im Fall des oben erwähnten ehemaligen Kämmerers Leopold Graf Nadásdy oder des ehemaligen Obergespans der Zips Ladislaus Graf Csáky.108 Unter anderem verfiel man auf den obskuren Ausweg, verurteilte italienische Revolutionäre und deren Familien als Siedler oder Fremdenlegionäre in Algerien an die französische Re- gierung zu „verkaufen“ – für 2.000 Gulden pro Mann bzw. 3.000 Gulden pro Familie, eine Maßnahme, deren Ausweitung auch auf Ungarn neben einer Depor- tation nach Amerika erwogen wurde – nur damit die Aufständischen nicht vor die Gerichte gestellt werden mussten.109 Die Angst des Kaisers vor unbotmäßigen Beamten und sein Zugriff auf das Beamtentum reichten noch etliche Jahre nach der Revolution so weit, dass er von 105 Ministerratsprotokoll vom 26. Juli 1849/II, im besonderen Anm. 7, ÖMR., Abteilung II: Das Ministerium Schwarzenberg, Band 1: 5. Dezember 1848–7. Jänner 1850, bearbeitet und eingelei- tet von Thomas Kletečka (Wien 2002). 106 Ministerkonferenzprotokoll vom 1. Juni 1852/X, ÖMR. III/1. 107 Siehe beispielsweise Ministerratsprotokoll vom 15. Mai 1849/XI, 10. Juni 1849/III, 21. Juli/VII, 26. Juli/II, 17. August 1849/IV und 17. November 1849/III, ÖMR. II/1. 108 Ministerratsprotokoll vom 15. April 1850/III, ÖMR. II/2 und vom 6. Juni 1852/X, ÖMR. III/1. 109 Ministerratsprotokolle vom 19. Dezember 1849/VII, vom 28 Jänner 1850/V und vom 5. April 1850/III, ÖMR. II/1 und ÖMR. II/2; siehe auch Kletečka und Schmied-Kowarzik, Einleitung zu Ministerratsprotokolle II/2, S. XXXIV f.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Josephinische Mandarine
Untertitel
Bürokratie und Beamte in Österreich
Autor
Waltraud Heindl
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
336
Schlagwörter
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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