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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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91 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en Souverän als Selbstverständlichkeit erwartet, beim Staatsdiener trat an die Stelle des Souveräns der Staat, dem der Beamte Gefolgschaft zu leisten hatte und (heute noch) hat. Auch die demokratischen Staaten verzichten nicht gerne auf die Treue und Verlässlichkeit ihrer Beamten. Sollte der Staat an Wertigkeit verlieren, greift man gerne auf persönliche Berater außerhalb der Beamtenkreise zurück. Das Thema Loyalität stellte sich im Fall Cisleithaniens für die Beamtenschaft in einem besonders komplexen Verhältnis. Zu der (bereits besprochenen) nicht unproblematischen Beziehung zwischen Kaiser und Beamten im neuen Staat, die durch die Verfassung von 1867 weiter zementiert wurde, trat in diesem von nun an unweigerlich die Zugehörigkeit der Beamten zur Nation und das Interesse für die aufkommenden (nationalen) Parteien, und damit zur Politik. Die rasanten national- und parteipolitischen Entwicklungen im Verfassungsstaat gestalteten die Verhältnisse zwischen 1867 und 1918 immer disparater. Um es vorwegzunehmen: Die Frage, ob die Beamten die oft behauptete Treue zu Kaiser und/oder Staat oder doch eher zu Nation/en und Partei/en zeigten, kann nur an Einzelfällen schlüssig behandelt werden – und nicht einmal hier ein- deutig. Die Haltung von einzelnen Beamten sowie die allgemeinen Denkstruktu- ren wandelten sich in diesem langen Zeitraum. Jedenfalls befindet sich das Thema Loyalität im Schnittpunkt zwischen Politik und Identität. Die einschneidenden Änderungen der staatsrechtlichen Gesetze von 1867 be- deuteten für die Beamten hinsichtlich ihrer Abhängigkeit vom Kaiser, der an sei- ner Oberhoheit über die Beamten – wie oben bereits dargelegt – unverbrüchlich festhielt, keineswegs jene scharfe Zäsur, die sie für den Staatsorganismus hatten. So wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass die k. (u. k.) Beamten auch abgesehen von der gesetzlichen Lage, die die Staatsdiener fest an den Kaiser band, persönliche Loyalität gegenüber dem Kaiser empfunden hätten. Die Memoiren- literatur, die wir von Beamten besitzen, erweckt des Öfteren den Eindruck, sie wären mehr Fürstendiener als Staatsdiener gewesen, hätten somit den älteren Typ des Beamten verkörpert. Der bereits erwähnte Otto Friedländer beispielsweise, der das Beamtentum sowie den Kaiser – posthum in der Ersten Republik – in einem verklärten Licht sah und beiden Faktoren die konstruktivste Rolle, die es im Staatsgetriebe überhaupt gab, zuschreibt (daneben aber doch auch kritische Analysen lieferte) meint: „Die Beamten sind Kopf und Rückgrat des Staates. Der Kaiser selber ist ein Beamter: von fünf Uhr früh bis acht Uhr Abend sitzt er am Schreibtische – […] Die Beamten nimmt der Kaiser ernst. […] Die Beamten sind die Kerntruppe des Kaisers. Sie sind seine Hände, seine Augen, seine Ohren. Je-
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Josephinische Mandarine
Subtitle
Bürokratie und Beamte in Österreich
Author
Waltraud Heindl
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2013
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
336
Keywords
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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