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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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4. Parteipolitische Konfliktszenen 101 Lemayer (1841–1906), der einer der führenden Mitarbeiter der liberalen kirchen- politischen Gesetzgebung der späten 1860er- und 1870er-Jahre und Autor wichti- ger Werke über die Verwaltungsgesetzgebung sowie von lyrischen Gedichten war (übrigens ein Gegner der Gründung einer tschechischen Universität in Prag) von seinem Posten abgesetzt.41 Der Abgeordnete Ernst von Plener (1841–1923), selbst ein prominenter Liberaler, wird mit seiner Vermutung nicht fehlgegangen sein, dass Lemayer der konservativen Regierung Taaffe zu liberal war.42 Die gelegentlichen „Konspirationen“ von Beamten mit der liberalen Honora- tiorenpartei in den 1860er- und 1870er-Jahren, die nicht zum Schaden der Staats- diener waren, können als harmlose Flirts apostrophiert werden, verglichen mit der späteren Entwicklung. Das Problem der Nahbeziehungen von Beamten zu Parteien verschärfte sich schlagartig mit dem Aufkommen der neuen Massenparteien, die (selbstverständ- lich) Mitglieder auch unter den Beamten suchten. Diese begannen auch prompt zu agieren.43 Die Einzelfälle wurden auch bei nicht hochrangigen Beamten ernst genommen. Ministerpräsident Badeni nahm die politisch zustimmende Rede des Bezirksrichters aus Feldkirch in Vorarlberg anlässlich der konstituierenden Ver- sammlung des katholischen Lehrervereins zum Anlass, um im Parlament vor allen Parteien den Standpunkt zu klären, dass Beamte sich jeder Parteinahme zu ent- halten hätten, womit er – nach außen – „lebhafte Zustimmung“ erhielt.44 Wie schnell aber die Beamten in den Sog der Parteien gerieten, zeigt John Boyer an- hand von Bürgermeister Luegers antisemitischer Agitation in den Wahlen von 1891.45 Mit der Verfassung von 1867 war Juden der Zutritt zu den öffentlichen Äm- tern möglich, wenn auch die Praxis etwas anders aussah. Es war Grund genug, um 41 URBANITSCH, Vom „Fürstendiener“ zum „politischen Beamten“, 171 f.; in seinem ersten Buch befasste sich Lemayer mit der Universitätsgesetzgebung in der liberalen Ära: Die Verwal- tung der österreichischen Hochschulen 1868–1877 (Wien 1878). 42 ERNST FREIHERR von PLENER, Erinnerungen, 2. Band: Parlamentarische Tätikeit 1873– 1891 (Leipzig 1921), S. 204. 43 HEINDL, Was ist Reform?, S. 166–175, im Besonderen 169–171. 44 RRPROT., Haus der Abgeordneten, 533. Sitzung der XI. Session am 24. November 1896, 27, S. 337 f. 45 JOHN W. BO�ER, Veränderungen im politischen Leben Wiens. Die Großstadt Wien, die Ra- dikalisierung der Beamten und die Wahlen von 1891. In: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 36 (1980), S. 95–176; zur Politisierung ausführlich auch JOHN W. BO�ER, Political Radicalism in Late Imperial Vienna. Origins of the Christian Social Movement 1848–1897 (Chi- cago 1981); neuerdings JOHN W. BO�ER, Karl Lueger (1844–1910). Christlich-soziale Politik als Beruf (= Studien zu Politik und Verwaltung 93, Wien/Köln/Weimar 2010).
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Josephinische Mandarine
Subtitle
Bürokratie und Beamte in Österreich
Author
Waltraud Heindl
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2013
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
336
Keywords
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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