Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Historische Aufzeichnungen
Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
Page - 137 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 137 - in Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich

Image of the Page - 137 -

Image of the Page - 137 - in Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich

Text of the Page - 137 -

137 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung Der Verfassungsstaat brachte noch weitere, bis jetzt völlig unbekannte Rechte: Die Beamten konnten den Staat – bis jetzt sakrosankter oberster Dienstherr – klagen, wenn er sich nicht an die Gesetze hielt, ein Recht, das die hohen Ränge – im Gegensatz zu den Subalternbeamten – nicht in Anspruch nahmen. Die Ge- währung des Streikrechts wurde allerdings aus Gründen des Disziplinarrechts den Beamten nicht zugesagt. Von der höheren Beamtenschaft aus Respekt vor dem Staat als unwürdig abgelehnt, wurde es von den Subalternen immer wieder ein- gefordert. Das Gehaltsgesetz vom 15. April 1873 wurde als „Magna Charta“ der Beamten bezeichnet.163 Ob diese Bezeichnung zu Recht gegeben wurde, sei dahingestellt. Die „Magna Charta“ war ein Gehaltsgesetz mit einem gerüttelt Maß an Vorteilen für die Beamten. Die Vorteile bedeuteten allerdings für die Zukunft einen ent- scheidenden Schritt: Beschneidungen gewährter Rechte sollten sich in Zukunft nahezu als unmöglich erweisen. Alle Versuche, die im Gefolge der Wirtschafts- krise nach 1873 von Regierung und Parlament unternommen wurden, durch Änderungen der Verwaltungsorganisation, etwa den Abbau von Planstellen der höheren Beamtenschaft und durch Pensionierungen von mittleren und niederen Beamten Einsparungen zu erzielen (Strategien, die auch im 21. Jahrhundert nicht unbekannt sind) verliefen im Sand. Die gut organisierten Interessenvertretungen sorgten für Schutz. So wurde es den Staatsdienern in den höheren Rängen in den folgenden Jahren ermöglicht, am bürgerlichen Aufschwung und Wohlstand, wenn auch in beschei- denem Ausmaß, teilzunehmen. Es war im Übrigen hoch an der Zeit, das Los der Beamten zu verbessern. Seit den verheerenden finanziellen Verhältnissen der Bürokratie im Neoabsolutismus hatte nicht nur der reale Lebensstandard gelitten, auch das soziale Prestige, die wichtigste Gruppe eines wenn auch nicht wohlha- benden, aber doch kultivierten Bildungsbürgertums darzustellen, war ins Wan- ken gekommen.164 Nach dem Gehaltsgesetz von 1873 besserte sich die Lage der höheren bürokratischen Ränge dem Schema entsprechend mit fortschreitendem Dienstalter und höherem Rang. Erst in dieser Zeit gehörte man, wenn überhaupt, zu den Eliten der Gesellschaft. Trotzdem gerieten Beamte auch der oberen Rangklassen immer wieder in fi- nanzielle Schwierigkeiten. Die Geschichte der Brüder Beck, aus der Vorgänger- 163 MEGNER, Beamte, S. 108. 164 Siehe auch Kapitel „Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867“ und „Die ,gut- bürgerliche‘ Gesellschaft“.
back to the  book Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich"
Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Josephinische Mandarine
Subtitle
Bürokratie und Beamte in Österreich
Author
Waltraud Heindl
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2013
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
336
Keywords
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Josephinische Mandarine