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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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141 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung 1873 im Grund wiederholte. Es wurden über die finanzielle Lage der Beamten im Allgemeinen und die einzelnen Rangklassen im Besonderen intensive De- batten geführt, die „miserable“ materielle Lage vor allem der kleinen Beamten zutiefst beklagt, pro und contra die niederen Beamten sowie die höheren gespro- chen. Das Hauptargument gegen eine Erhöhung der Besoldung der niederen Staatsdiener bildete – vom Standpunkt der budgetären Bedeckung aus nicht zu Unrecht – deren enorme Zahl, gegen eine Erhöhung der Funktionszulagen für die höhere Bürokratie wurden die ohnehin ausreichende Besoldung und die wohlhabenden Aristokraten in ihren Reihen (zu Unrecht) angeführt. Alle rede- ten von einem Wildwuchs des Beamtenapparates, in Wahrheit wollte jedoch niemand irgendwo Posten reduzieren.179 In den Verhandlungen zur Dienstprag- matik 1912 nahm die Thematisierung des Koalitionsrechts, die Mitgliedschaft bei Vereinen und die Teilnahme an den argwöhnisch beobachteten Parteiveranstal- tungen zusätzlich breiten Raum ein.180 Besonders auffällig ist allerdings, dass sich ein geradezu außergewöhnliches „Lob der Bürokratie“ wie ein roter Faden durch alle Verhandlungen von 1873 bis 1914 zieht: Niemand auf der Regierungsbank und schon gar kein Mitglied aus dem Abgeordnetenhaus, gleich welcher Partei, wollte als beamtenfeindlich gelten. Unter den Regierungsmitgliedern gab es be- kanntlich viele Beamte, die wussten, dass sie auf gute Beamtenarbeit angewiesen waren, den Abgeordneten war es um die Stimmen der Beamten für ihre Partei zu tun. Die Dienstpragmatik, die seit der ersten Petition am 19. November 1867 im Parlament nach 8 Anfragen, 21 Interpellationen, 26 Anträgen, 10 Dringlichkeits- anträgen181 und nach dreijährigen Verhandlungen zustande kam, war im Grunde nur eine Zusammenfassung aller bereits bestehenden Rechte und Pflichten. Entscheidend war aber doch, dass sie als ein Abkommen zwischen den Arbeit- nehmern, den Staatsdienern und dem Arbeitgeber, dem Staat, gesehen wurde. Somit war sie ein modernes sozialpolitisches Instrument. Für die Beamten war die Dienstpragmatik, die den Rahmen ihres Lebens im Amt und im Zivilen we- sentlich bestimmte, wichtig, weil sie sich jederzeit auf sie berufen konnten. Die Arbeitgeberseite Staat hatte den Vorteil, dass die Pflichten klar festgelegt wurden und das Beamtenethos im Sinne des monarchischen Staates bestehen blieb, ja be- 179 RRPROT., Haus der Abgeordneten, XXI. Session, 83. Sitzung vom 23. Mai 1912, S. 4008. 180 Vgl. z. B. RRPROT., Haus der Abgeordneten, XXI. Session, 84. Sitzung vom 22. Mai 1912, S. 3938, 3960 f., RRPROT., 87. Sitzung vom 4. Juni 1912, S. 4156. 181 So der sozialdemokratische Abgeordnete Glöckel, RRPROT., Haus der Abgeordneten, XXI. Session, 84. Sitzung vom 22. Mai 1912, S. 3948 f.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Josephinische Mandarine
Subtitle
Bürokratie und Beamte in Österreich
Author
Waltraud Heindl
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2013
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
336
Keywords
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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