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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 153 Ausbildung zurückführt. Was unseren Autor besorgt machte, ist die mangelnde „höhere Auffassung“ von dem Beamtenberuf, das „innige Verwachsen mit dem Staatsdienst“, einfach das Fehlen von „Standesbewusstsein“.216 Offenbar übersah Nawiasky, dass die untergeordnete Stellung und diskriminierende Behandlung den Frauen eine Identifizierung mit der Arbeit nicht erleichterte. Aus moralischen Gründen empfahl er jedenfalls eine räumliche Trennung von den Männern sowie eine Einschränkung des Nachtdienstes. Es sah allerdings wenig sexuelle Gefahren in ihnen, da diese Frauen der Ehe absolut abgeneigt wären (er beschreibt aller- dings nicht die Quelle, woher dieses Urteil gespeist wurde). In Widerspruch dazu, glaubte er bemerkt zu haben, hofften die Neueintretenden, bald zu heiraten und durch die Eheschließung dem Dienst wieder „entrückt“ zu werden, was der Bezie- hung zu ihrer Arbeit und ihrer Dienststelle nicht förderlich sei.217 Der Staatsdienst böte diesen „unbeschäftigten“ (heute würden wir sagen frustrierten) Frauen Aus- gleich, „Anregungen“ und zerstöre die Langeweile, obwohl der Dienst „anstren- gend und nervenaufreibend“ wäre und daher mit sechs Stunden zu begrenzen sei – selbstverständlich nur für ledige Frauen, da der natürliche Platz der Ehefrau im Haus sei.218 Als Fazit konstatiert Nawiasky, dass Frauen im Staatsdienst ein Pro- blem darstellten und dass Berufsarbeit für Frauen im Allgemeinen und schon gar nicht der Staatsdienst im Besonderen für sie geeignet sei. Hans Nawiasky (1880–1961), Staats- und Verwaltungsrechtler, später Professor an den Universitäten Wien und München, legte diese Studie der juridischen Fa- kultät der Universität Wien als Habilitation vor,219 deren Mitglieder – bis auf ei- nige wenige Ausnahmen wie der Verfassungsrechtler Edmund Bernatzik – weder Freunde des Frauenstudiums noch von juristischen Frauenberufen waren.220 Sollte sich Nawiasky als (allzu) gefälliger Student seiner Fakultät erwiesen haben? Die negative Sicht auf Frauen im Staatsdienst blieb mehr oder weniger für Jahrzehnte unverändert. Selbst im Ersten Weltkrieg, als aus Mangel an männ- lichen Beamten vermehrt Frauen aufgenommen wurden, sowie in der Ersten Re- publik gab es kaum Frauen in mittleren und höheren Rängen,221 und das Berufs- verbot, das in der Ersten Republik noch für verheiratete Frauen im Bundesdienst ausgesprochen wurde, zeigt, wie lange der Staatsdienst für Frauen als Notlösung, 216 NAWIASK�, Frauen im Staatsdienst, S. 227. 217 NAWIASK�, Frauen im Staatsdienst, S. 228, zum Folgenden S. 237–244. 218 NAWIASK�, Frauen im Staatsdienst, S. 6 und 228. 219 HANS. F. ZACHER in NEUE DEUTSCHE BIOGRAPHIE 19 (München 1999) , S. 4–6. 220 HEINDL, Zur Entwicklung des Frauenstudiums, S. 20. 221 HEINDL, Bürokratie und Beamte: In: Handbuch Erste Republik, S. 92.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Josephinische Mandarine
Subtitle
Bürokratie und Beamte in Österreich
Author
Waltraud Heindl
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2013
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
336
Keywords
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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