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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 155 Entscheidungsfindung oft langwierig und für den Staatsbürger undurchschaubar. Kafkas Zeichnung der geheimnisvollen, dunklen, bedrohlichen Mächte,222 mit denen er die Bürokratie verband, mag mit dem intransparenten Behördenweg in Verbindung gestanden sein. Nehmen wir als Beispiel für Einflussnahmen das Ministerium für Cultus und Unterricht, das sowohl Religion(en) als auch Unterricht, Wissenschaft und Kunst verwaltete. Es stand daher im Brennpunkt der Kirchen, Religionen, der Schulen, Universitäten, der Intellektuellen und Künstler, hatte damit einen „esoterischen“ Stempel und erweckte gewiss in den elitären Belangen von Kunst und Wissen- schaft Anteilnahme, aber weit seltener das öffentliche Interesse (höchstens in Schul- und Kirchenangelegenheiten), das spektakuläre Politik für ein breites Pu- blikum braucht. Auch in der historischen Aufarbeitung wird dieses Ministerium vernachlässigt, obwohl – oder vielleicht gerade weil – die Disziplin Geschichte in einem Nahverhältnis zu dieser Behörde steht. Eine Ausnahme bildet Jeroen Bastiaan van Heerdes Buch, in dem der Tätigkeit dieses Ministeriums in Sachen Kunst ab 1895 ein wesentlicher Beitrag gewidmet wurde.223 Das Ministerium für Cultus und Unterricht soll uns als Exempel für Macht und Einflussnahme durch bürokratische Geschäftsbehandlung (zumindest in der Materie Kunst) dienen. Das Ministerium war seit 1867 in 15 Departements untergliedert. Der eigent- liche politische Entscheidungsträger, der Minister, wurde von den Departements – wie übrigens in allen anderen Ministerien – durch die Präsidialsektion abge- schirmt, die die einlangenden Akten für den Minister zu beurteilen hatte. Die Möglichkeit einer ständigen Einflussnahme der Präsidialsektionen konnte (und kann) nicht hoch genug eingeschätzt werden, dessen war man sich in der Praxis voll bewusst. Im Grund besaßen alle Beamten der Präsidialsektion Bedeutung, selbst die jungen „Vorzimmerpinsche“, da sie beispielsweise bereits über die Vor- lassung der Parteien zum Sektionschef oder Minister entscheiden konnten. Am Hebel der Macht stand der Leiter der Präsidialsektion, der Sektionschef, der dem Minister am nächsten war.224 Es gab Sektionschefs, denen mehr Geltung als dem Minister nachgesagt wurde, wie dem bereits genannten Rudolf Sieghart. Die Minister, die dem Unterrichtsministerium seit 1848 vorstanden, zeigen gewissermaßen den gesellschaftlichen Wandel, der sich zwischen 1848 und 1918 222 Siehe „Franz Kafka und die irrationale Bürokratie“, HEINDL, Gehorsame Rebellen, S. 357–362. 223 JEROEN BASTIAAN van HEERDE, Staat und Kunst. Staatliche Kunstförderung 1895–1918 (Wien/Köln/Weimar 1993). 224 EHRHART, Im Dienste, S. 217 f.; KLEINWAECHTER, Der fröhliche Präsidialist, S. 56, 58, 62–69.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Josephinische Mandarine
Subtitle
Bürokratie und Beamte in Österreich
Author
Waltraud Heindl
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2013
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
336
Keywords
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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