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V. Das soziale Umfeld
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des General-Rechungs-Directoriums (Vorläufer des Rechnungshofes) in Anspruch
genommen. Zu den Uniformen trug man einen Degen und Hüte, die wie Militär-
hüte gestülpt wurden. Das Tragen der Uniformen bei feierlichen Gelegenheiten,
bei Kontakt mit anderen Ämtern und im Publikumsdienst unterstrich die hier-
archische Gliederung der Beamtenschaft. Allerdings deklarierte man die Kostü-
mierung verschleiernd als ausdrückliches Recht der „mit dem Titel einer höheren
Rangclasse bekleideten aktiven Staatsbeamten“.290 Doch es war offensichtlich: Im
Neoabsolutismus war mit dem Tragen der Uniform in der Öffentlichkeit deutlich
der Zweck verbunden, der Bürokratie einen militärischen Anstrich zu verleihen,
um damit auch visuell zu demonstrieren, dass sie wie Soldaten und Offiziere der
Staatsgewalt auf Gedeih und Verderben unterworfen waren. Offenbar huldigte
man auch dem Sprichwort „Kleider machen Leute“: Den Beamten sollte mit dem
Tragen der Uniform die gewünschte Identität eingeimpft werden. Sie sollten sich
als Staatsorgane fühlen und sich dementsprechend benehmen. Aus der ursprüng-
lichen Absicht zu Beginn des 19. Jahrhunderts, die Beamten optisch aus der Masse
des Volkes herauszuheben, war nun die Uniform zum Symbol des Gewaltmono-
pols des Staates geworden.
Ob die Staatsbeamten damals begeistert waren, ist uns nicht bekannt. In den
1870er-Jahren jedoch begannen sie sich gegen das Tragen der Uniformen zur
Wehr zu setzen. Die Frage war thematisiert worden, weil sich die Uniformen
für den Hafen- und Seesanitätsdienst als unpraktisch erwiesen hatten.291 Die
Anschaffung der Uniformen kam die Beamten teuer zu stehen. Darüber hin-
ausgehend enthüllt die Opposition gegen die Uniform das neue Selbstverständ-
nis der Beamten der liberalen Ära. Abgesehen davon, dass angeblich sowieso
nur ein Bruchteil der Beamtenschaft vorschriftsmäßig uniformiert war und dies
zumeist nur bei feierlichen Amtshandlungen,292 war den niederen Beamten die
Uniform sowieso zu teuer, die anderen aber wehrten sich aus ideologischen
Gründen gegen die Uniform als Ausdruck der Gleichstellung der Beamten-
schaft mit dem Militär. Die mit dem Tragen der Uniform verbundene Etikette
erinnerte, wie vorher gesagt, sehr stark an den Usus der Offiziere, von denen
290 Uniformierungsvorschrift vom 24. August 1849, RGBL. Nr. 377/1849, § 1.
291 MA�RHOFER-PACE, Handbuch I, S. 263.
292 J[ustin]. B�ONSKI, Der österreichische Civilstaatsdienst: ein systematisches Handbuch, enthal-
tend sämmtliche, die Anstellung im österr. Civil- Staatsdienste, sowie die dadurch begründeten
Rechte und Pflichten betreffenden Bestimmungen, mit Inbegriff der Pensions- und Disciplinar-
vorschriften, sammt den einschlägigen Erkenntnissen des Reichsgerichtes und des Verwaltungs-
gerichtshofes (Wien 1882), S. 220.
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Josephinische Mandarine
- Subtitle
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Author
- Waltraud Heindl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 336
- Keywords
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277