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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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V. Das soziale Umfeld 182 das direkte „Sie“ verwendeten, sondern die damals bereits altertümlich anmutende Vermeidung der direkten Anrede wählten, etwa: „Haben Herr Sektionschef schon gewählt?“, „Sind Herr Ministerialrat gut gereist?“ etc.301 Das heißt, der im Dienst – nicht im Alter – Höhergestellte wurde selbstverständlich nicht mit dem freundlich jovialen „Kollege“ tituliert, sondern er wurde in der Regel mit seinem Amtstitel angesprochen, gerne wurden auch Höhergestellte mit „Euer Hochwürden“ oder „Euer Exzellenz“ angeredet.302 Selbst wenn die Herren befreundet waren und per „Du“ verkehrten, so wurde im Dienst der Titel und nicht der Vorname verwendet, das „Du“ wurde oftmals vermieden, durfte aber unter Umständen gebraucht wer- den. Es kam (und kommt wohl auch noch heute) auf die Distanz der Ränge an. Das „Du, Herr Sektionschef“, das noch heute manchmal zu hören ist, und Perso- nen, die mit dem österreichischen Amtsleben unvertraut sind, höchst seltsam an- mutet, durfte nur von manchen dem Sektionschef nahe-, aber „unter“ ihm stehen- den Ministerialräten angewendet werden, etwas weiter darunter stehenden Rängen war sie versagt. Die wenigen Frauen im Amt, auch die höheren Alters, wurden mit „Fräulein“ tituliert, sie hatten unverheiratet zu sein. Es gab keine festgeschriebenen Regeln, es kam auf das Taktgefühl und den Instinkt an, wie angesprochen und gegrüßt wurde und was sich der jeweilige Vorgesetzte an Grußformel erwartete. Uns wurden leider keine Formen des Grüßens und der Grußbeantwortung aus der Zeit der Monarchie überliefert, außer dass junge Beamte etwa ihre Vorgesetz- ten mit „Meine Verehrung, Herr …“ (es folgte der Titel) bedachten, und dem bereits angesprochenen militärischen Gruß dem Kaiser und der Kaiserin gegen- über.303 Wir besitzen jedoch ein eindrucksvolles Romandokument, geschrieben ein halbes Jahrhundert nach dem Ende der Monarchie (1974), das überkommene Formen des Grüßens in den Ministerien überliefert. Dass diese erst in der Re- publik entwickelt wurden, ist wohl kaum anzunehmen. Jörg Mauthe, ein feiner Beobachter der österreichischen Gesellschaft im Allgemeinen und der beamteten im Besonderen, beschrieb in seinem Roman „Die große Hitze“ die feinen Ab- stufungen der Grußformeln, aus denen ein gelernter Österreicher noch in den 1970er-Jahren unmittelbar den Rang und die Beziehung der grüßenden Personen untereinander ableiten konnte. „Legationsrat Dr. Tuzzi“ – die Hauptfigur des Ro- mans – „wandte sich dem Sektionsrat Tuppy mit einem ,Grüß dich Gott, Herr 301 Es gibt unzählige Beispiele bei KLEINWAECHTER, Der fröhliche Präsidialist; EHRHART, Im Dienste. 302 EHRHART, Im Dienste, S. 7. 303 KLEINWAECHTER, Der fröhliche Präsidialist, S. 68.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Josephinische Mandarine
Subtitle
Bürokratie und Beamte in Österreich
Author
Waltraud Heindl
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2013
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
336
Keywords
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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