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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 183 Sektionsrat‘ zu, ehe noch Tuppy sein übliches ,Respekt, Herr Legationsrat, du schaust ja blendend aus heute!‘ anbringen konnte; diese beiden Anreden hielten ebenfalls maximale Balance, denn privat waren die beiden Herren ziemlich be- freundet, dienstlich aber rangierte der Sektionsrat eine Stufe tiefer als der aller- dings etwas jüngere Legationsrat […]. Dr. Benkös [ein junger, karrieresüchtiger und daher unbeliebter Ministerialkommissär] übertriebenes ,Meine besondere Verehrung, Herr Legationsrat, spezielle Hochachtung allerseits!‘ wurde denn auch von Tuzzi mit einem kühlen ,Guten Morgen, Doktor Benkö‘, von Tuppy mit ei- nem geradezu beleidigenden ,Morgen!‘, von allen anderen aber mit einem blo- ßen verächtlichen ,Grüß Sie Gott‘ oder ,Grüß Sie!‘ beantwortet, je nach dem, ob der Grußerwidernde eher der konservativen oder der sozialistischen Partei nahe stand.“304 Man möge die Anleihe bei der Literatur des späteren 20. Jahrhunderts verzeihen, doch eingefahrene Benimmregeln sind, wie wir wissen, von langer Dauer. Auch Sabine Zelger schildert die für manche Beamte problembehafteten Formen des Grüßens, die in der Literatur thematisiert werden. Auch der Umgang der Staatsdiener miteinander war im Allgemeinen streng re- guliert, den Gesetzen der bürgerlichen Höflichkeit folgend, obwohl „das Amt“ so wie heute mitunter nicht vor Schlammschlachten in der Öffentlichkeit bewahrte, wenn es um Kompetenzen und Geld ging.305 Im Allgemeinen verhinderten aber vermeintliche zukünftige Karrieren von Kollegen massive Feindseligkeiten im Amt, was scheinheilige Höflichkeit förderte, „weil man“, so die Argumentation Kleinwaechters, „nicht wissen kann, ob der Mann nicht einmal etwas wird und man von ihm etwas braucht“.306 Trotz der allgemein strengen Sitten – wir haben allerdings auch Berichte, dass es unter Umständen bei den Behörden, etwa beim Bezirksgericht Wieden in Wien, sehr locker, informell und fröhlich zuging.307 Es kam auf den Bürochef an. Zusammenfassend ist das Fazit zulässig, dass die Rangunterschiede innerhalb der Bürokratie, die gleichzeitig eine soziale Rangordnung repräsentierten, das we- sentliche Kriterium der Differenzierung im Amt darstellten. Die nationalen Un- terschiede, auf die immer wieder Bezug genommen wird (und die auch vorhanden 304 JÖRG MAUTHE, Die große Hitze oder die Errettung Österreichs durch den Legationsrat Dr. Tuzzi (Wien/München 1974), S. 52 f.; ZELGER, Das ist alles viel komplizierter, S. 293. 305 Beispielsweise bei ALLMA�ER-BECK, Vom Gastwirtssohn, S. 126. 306 KLEINWAECHTER, Der fröhliche Präsidialist, S. 35. 307 Das berichtet jedenfalls von seiner Praktikantenzeit Max Freiherr von Mayr, MAX FREIHERR Von MA�R, Geschichte der Familie Mayr, Manus, S. 206–209. PA HENCKEL-DONNERS- MARCK.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Josephinische Mandarine
Subtitle
Bürokratie und Beamte in Österreich
Author
Waltraud Heindl
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2013
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
336
Keywords
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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