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V. Das soziale Umfeld
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Laut gehender Füße“, so schildert uns der fröhliche Präsidialist Kleinwaechter die
ministerielle Situation vor seiner Angelobung, die im Arbeitszimmer des Finanz-
ministers stattfand,318 mit einem „prachtvollen Deckengemälde, Seidentapeten,
Kandelaber an den Wänden“. Das Palais erwies sich (selbstverständlich) für Büro-
zwecke als höchst unzweckmäßig, weil die Nebenräume – umgebaute frühere Sat-
telkammern, Getreideschüttböden etc. – schlecht beleuchtet und belüftet, kaum
beheizbar und, von ehemaligen großen Räumen oder Korridoren abgetrennt, win-
zig klein waren, die eher Verschlägen als Amtsräumen glichen, wo junge Beamte,
die ohne großen Parteienverkehr arbeiteten, untergebracht waren.319 Kleinwaech-
ter, dem einer dieser beengten Verschläge als Arbeitszimmer zugewiesen wurde,
sehnte sich angesichts der Beengtheit nach der Finanzprokuratur in Czernowitz
zurück, wo er „jemand war“, wie er meinte. Hatten junge Beamte Parteienver-
kehr, so wurde ihnen – selbst wenn sie nur „kleinen“ Präsidialdienst in der Hoch-
bürokratie versahen, etwa „Vorzimmerpinsche“ eines Sektionschefs wurden –,
schöne, große Zimmer mit riesigem Teppich, Diplomatenschreibtisch, breitem
Fauteuil, mit Samt bezogener Sitzecke und Mahagonitisch, prachtvollem Luster
und schweren Seidenvorhängen zugeteilt. Im Allgemeinen beherrschte jedoch ein
rigoroser Spargeist die Ämter, der zu einer gewissen Dürftigkeit, zu einem „freud-
losen, klösterlichen Stil“ geführt hätte, der sich in den Amtsgebäuden und deren
Ausstattung schmucklos oder sogar frostig, auch „hässlich und unfreundlich“,
„ohne unsachliche Eitelkeit“, so Friedländer, präsentierte und höchstens einer ge-
wissen Würde des Staates und der Staatsämter angemessen gewesen sei.320 Wir
sprechen vom ärarischen Stil! Dass dieser die eigentliche Moderne verkörperte,
dürfte Friedländer entgangen sein. Davon wird später noch die Rede sein.
Der ärarische Stil war nicht nur auf die Ausstattung der Gebäude beschränkt.
Die Sparsamkeit, die diesem eigen war, ging so weit, dass manchmal provisorische
Gesetze gar nicht gedruckt wurden, da man auf den definitiven Beschluss wartete.
Provisorien konnten in Österreich bekanntlich jedoch mitunter bis zu 60 Jahre
dauern und die provisorischen Gesetze waren so nur einem kleinen Kreis von
Personen schriftlich zugänglich.321
Genauso betraf der Spargeist die Ausschmückung der Ämter. Um diesem zu
entsprechen, bestimmte der dafür zuständige Beamte im Unterrichtsministe-
318 KLEINWAECHTER, Der fröhliche Präsidialist, S. 25 f.
319 Dazu und zum Folgenden vgl. KLEINWAECHTER, Der fröhliche Präsidialist, S. 46 ff. und 63.
320 FRIEDLÄNDER, Letzter Glanz der Märchenstadt, S. 71.
321 KLEINWAECHTER, Der fröhliche Präsidialist, S. 57 f.
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Josephinische Mandarine
- Subtitle
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Author
- Waltraud Heindl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 336
- Keywords
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277