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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
Seite - 186 -
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V. Das soziale Umfeld 186 Laut gehender Füße“, so schildert uns der fröhliche Präsidialist Kleinwaechter die ministerielle Situation vor seiner Angelobung, die im Arbeitszimmer des Finanz- ministers stattfand,318 mit einem „prachtvollen Deckengemälde, Seidentapeten, Kandelaber an den Wänden“. Das Palais erwies sich (selbstverständlich) für Büro- zwecke als höchst unzweckmäßig, weil die Nebenräume – umgebaute frühere Sat- telkammern, Getreideschüttböden etc. – schlecht beleuchtet und belüftet, kaum beheizbar und, von ehemaligen großen Räumen oder Korridoren abgetrennt, win- zig klein waren, die eher Verschlägen als Amtsräumen glichen, wo junge Beamte, die ohne großen Parteienverkehr arbeiteten, untergebracht waren.319 Kleinwaech- ter, dem einer dieser beengten Verschläge als Arbeitszimmer zugewiesen wurde, sehnte sich angesichts der Beengtheit nach der Finanzprokuratur in Czernowitz zurück, wo er „jemand war“, wie er meinte. Hatten junge Beamte Parteienver- kehr, so wurde ihnen – selbst wenn sie nur „kleinen“ Präsidialdienst in der Hoch- bürokratie versahen, etwa „Vorzimmerpinsche“ eines Sektionschefs wurden –, schöne, große Zimmer mit riesigem Teppich, Diplomatenschreibtisch, breitem Fauteuil, mit Samt bezogener Sitzecke und Mahagonitisch, prachtvollem Luster und schweren Seidenvorhängen zugeteilt. Im Allgemeinen beherrschte jedoch ein rigoroser Spargeist die Ämter, der zu einer gewissen Dürftigkeit, zu einem „freud- losen, klösterlichen Stil“ geführt hätte, der sich in den Amtsgebäuden und deren Ausstattung schmucklos oder sogar frostig, auch „hässlich und unfreundlich“, „ohne unsachliche Eitelkeit“, so Friedländer, präsentierte und höchstens einer ge- wissen Würde des Staates und der Staatsämter angemessen gewesen sei.320 Wir sprechen vom ärarischen Stil! Dass dieser die eigentliche Moderne verkörperte, dürfte Friedländer entgangen sein. Davon wird später noch die Rede sein. Der ärarische Stil war nicht nur auf die Ausstattung der Gebäude beschränkt. Die Sparsamkeit, die diesem eigen war, ging so weit, dass manchmal provisorische Gesetze gar nicht gedruckt wurden, da man auf den definitiven Beschluss wartete. Provisorien konnten in Österreich bekanntlich jedoch mitunter bis zu 60 Jahre dauern und die provisorischen Gesetze waren so nur einem kleinen Kreis von Personen schriftlich zugänglich.321 Genauso betraf der Spargeist die Ausschmückung der Ämter. Um diesem zu entsprechen, bestimmte der dafür zuständige Beamte im Unterrichtsministe- 318 KLEINWAECHTER, Der fröhliche Präsidialist, S. 25 f. 319 Dazu und zum Folgenden vgl. KLEINWAECHTER, Der fröhliche Präsidialist, S. 46 ff. und 63. 320 FRIEDLÄNDER, Letzter Glanz der Märchenstadt, S. 71. 321 KLEINWAECHTER, Der fröhliche Präsidialist, S. 57 f.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Josephinische Mandarine
Untertitel
Bürokratie und Beamte in Österreich
Autor
Waltraud Heindl
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
336
Schlagwörter
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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