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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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V. Das soziale Umfeld 188 Es wäre vermessen, an dieser Stelle eine Evaluierung der Aktenerledigung in der Zeitspanne von 1848 bis 1914 vorzunehmen. Die Frage, ob die Behandlung menschlicher Probleme, die in Akten gegossen wurden, schnell oder langsam, mehrheitlich positiv oder mehrheitlich negativ, gerecht oder ungerecht, adäquat, den Umständen entsprechend oder zu kleinlich, zu großzügig oder etwa gar schlampig erledigt wurden, muss offenbleiben. Zu zahlreich waren die Behörden und die Departements, in die sie untergliedert waren, zu groß die Unterschiede zwischen ihnen. Immerhin hing es maßgeblich vom jeweiligen Amtschef und den agierenden Beamten ab, dem die Akten zugeteilt waren, ob menschenfreundlich oder menschenverachtend entschieden wurde. Von den Beamtenmemoiren gewinnen wir den Eindruck, der jeweilige Autor habe nur im Allgemeininteresse, schnell und zügig, gerecht und menschenfreund- lich, gearbeitet. Wer würde das nicht von sich behaupten? Allerdings sind man- che Absonderlichkeiten auffällig, vor allem wenn es um Kontrollen finanzieller Natur ging. Diese konnten nicht ausführlich genug sein und bedeuteten daher einen unbeschreiblichen Arbeitsaufwand für Beamte. Ein solches Beispiel bietet die Subventionierung der Schifffahrtsgesellschaft Triester Lloyd.326 Um mit den internationalen Schifffahrtsgesellschaften wettbewerbsfähig zu sein, wurde für jede Fahrt ein Teil der Suezkanalgebühren rückvergütet und für jede zurückge- legte Meile je nach Länge der Fahrt Meilengelder bezahlt, allerdings nur bei Ein- haltung der vorgeschriebenen Geschwindigkeiten. War das nicht der Fall, wurde ein Teil des Meilengeldes – ebenfalls je nach Länge der Linie – abgezogen. Natur- katastrophen, Schäden an der Maschine, Streiks der Hafenarbeiter etc. blieben straffrei, wenn sie mithilfe sogenannter „Stundenpässe“, in denen alle Details der Ankunfts- und Abfahrtszeiten in diversen Häfen eingetragen waren, gerechtfertigt werden konnten. Die Überprüfung oblag in erster Instanz der k. k. Seebehörde in Triest. Das reichte der Wiener Zentralbürokratie nicht. Sämtliche Aktenunter- lagen hatten dem Handelsministerium in Wien weitergeleitet zu werden, das die Kontrolle der Kontrolle vornahm – in Kopie allerdings ergingen diese auch an das Finanzministerium, das die Summe der Subventionierung für den Triester Lloyd für den Staatsvoranschlag mit dem Handelsministerium vereinbart hatte. Eine „hohe“ und zwei „höchste“ Behörden waren so mit der Kontrolle einer nicht sehr bedeutenden Summe für Meilengelder befasst. Der Fall einer Verspätung beweist, dass es damit nicht getan war, sondern dass jedes der beiden Wiener Ministerien, das Handels- und das Finanzministerium, noch eigene Ermittlungen anstellte, 326 Zum Folgenden KLEINWAECHTER, Der fröhliche Präsidialist, S. 84–90.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Josephinische Mandarine
Subtitle
Bürokratie und Beamte in Österreich
Author
Waltraud Heindl
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2013
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
336
Keywords
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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