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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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V. Das soziale Umfeld 192 Sollte der seit Generationen praktizierte schriftliche Kanzleistil nicht dann und wann zu sturen Regeln mutiert sein, sollte diese Starrheit nicht gemeinsam mit dem Imperativ der Unpersönlichkeit auf empfängliche Beamtenseelen abgefärbt haben? – Bis, wie bereits dargelegt, eine junge Generation juristisch und technisch gut ausgebildeter beamteter Fachkräfte, die sich dem Amtsschimmel nicht fügen wollten, heftige Kritik am Stil, der eine unterwürfige Mentalität des Dienens verriet, zu üben begann.332 Doch den allgemeinen Zeitgeist der Bürokratie störte dieser Kanzleistil offenbar nicht. Die Kanzleisprache war spätestens seit dem 18. Jahrhundert in der Bürokratie fest verankert und in der Bevölkerung bestens be- kannt. Sie entsprach vielleicht nicht mehr ganz dem Usus des angehenden 20. Jahrhunderts, doch wir finden heute noch Spuren der typischen Amtssprache in den Gesetzestexten. Hatten die Konzeptsbeamten einmal Amtsstil und Kanzleisprache in einem sicher nicht einfachen Prozess erlernt, so dürfte sich eine Liebe zu dieser für unsere Begriffe gewundenen, unpersönlichen Sprache entwickelt haben. So erzählt uns der mit dem rebellischen Olszewski gleichzeitig dienende Robert Ehrhart, dass er schon in den ersten Jahren seiner Amtszeit, in den 1890er-Jahren, die „Poesie der Akten“ entdeckt habe.333 War es diese Kanzleisprache, durch die sich Ehrhart zu dieser enthusiastischen Bezeichnung hinreißen ließ? Ohne Zweifel hatte die Kanzleisprache, abgesehen von den Floskeln gegenüber der Beamten- und Behör- denhierarchie, eine bestimmte Wortwahl zu treffen, auf einen bestimmten Fluss der Sprache zu achten. Vor allem aber hatte sie in Wort, Grammatik und Stil Ob- jektivität zu beweisen, vielleicht auch nur vorzutäuschen, um das Amt in jedem Fall unangreifbar zu machen. Claudio Magris machte die überraschende Beobachtung, dass Johann Wolf- gang von Goethe sich in seinen Karlsbader Jahren und nach der Bekanntschaft mit österreichischen Persönlichkeiten insbesondere in seinen Briefen des „unper- sönlichen Stils der Kanzleisprache“ der habsburgischen (bürokratischen) Kultur zu bedienen begonnen habe, „dieser Gerichtssprache“, wie Magris bemerkt, die „eifersüchtig die eigene Intimsphäre hinter dem Schild korrekter, traditioneller Formen und höfischer Graduierung verbarg“.334 Sollte die Wahrnehmung Magris’ übertrieben sein? 332 Der bereits erwähnte Olszewski bietet uns ein leuchtendes Beispiel, siehe Kapitel „Generatio- nenkonflikte“; auch VOŠALÍKOVÁ, Einleitung zu Von Amts wegen, S. 34 f. 333 EHRHART, Im Dienste, S. 107 f. 334 CLAUDIO MAGRIS, Der habsburgische Mythos in der Literatur (Salzburg 1966), S. 65.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Josephinische Mandarine
Subtitle
Bürokratie und Beamte in Österreich
Author
Waltraud Heindl
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2013
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
336
Keywords
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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