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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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201 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital und Gabel wie Kanonenrohre vor der Lafette starrten, und die eingerollten Ser- vietten in ihren Ringen waren aufmarschiert wie eine Armee, die ihr General in Stich gelassen hat.“353 Bürgerliche Strenge steht gegen den ebenfalls bürgerlichen Topos der Gemütlichkeit, von der im Pädagogenhaushalt jede Spur fehlt! Wollen wir den (groß)bürgerlichen Standard der bürokratischen Eliten an den Essgewohnheiten messen, so sind wir leider überwiegend auf Spekulationen ange- wiesen, denn die Mitteilungen der Beamten über ihre Ernährungsgewohnheiten sind mangelhaft. In der schönen Literatur begegnen wir allerdings immer wieder Erzählungen über die angebliche Vorliebe der Beamten für gekochtes Rindfleisch, in der feineren Form war es der Tafelspitz, mit Kartoffeln, Kren und Gemüse, die die braven Staatsdiener angeblich ihrem Allerhöchsten Dienstherrn, dem Kaiser, abgeschaut hatten, der diese Speise Tag für Tag zu sich genommen haben soll. Mit besonderer Feierlichkeit wurde das Sonntagsessen zelebriert.354 Die Verbindung des Verzehrs des Tafelspitzes am Sonntag als Ausdruck der Kaisertreue findet sich etwa in Joseph Roths Beschreibung der allsonntäglichen Mahlzeit des Bezirks- hauptmanns Trotta. Sie ist wohl die berühmteste und bekannteste Darstellung.355 Es dürfte sich tatsächlich nicht nur um eine literarische Erfindung gehandelt ha- ben. Auch der Hofgerichtsrats-Großvater in Böhmen, so berichtet uns Ludmila Matiegková, aß täglich zu Mittag gekochtes Rindfleisch.356 Fleisch war teuer und wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts teurer. Der Verbrauch von Fleisch wird im Allgemeinen als Wohlstandsindikator gesehen.357 Rindfleisch zählte damals im Gegensatz zu heute zu den billigen Fleischsorten (dies lag an den leichteren Trans- portmöglichkeiten von Rindvieh, das im Gegensatz zu Schweinen durch das Land getrieben werden konnte). Deutlich ablesbar ist dies am Fleischverbrauch. Lag der Rindfleischverbrauch in Wien um 1800 noch bei 52 kg pro Kopf im Jahr, so war er im Jahr 1910 auf 32,6 kg pro Kopf abgesunken. Der Verbrauch von Schweine- fleisch wurde für 1800 mit 10,6 kg pro Kopf im Jahr – auf ein Fünftel des Rind- fleischverbrauchs – beziffert, er war im Gegensatz zum Rindfleisch im Jahr 1910 353 ROBERT MUSIL, Der Mann ohne Eigenschaften (Hamburg 1978), S. 1065. 354 VOŠALÍKOVÁ, Einleitung zu Von Amts wegen, S. 31 f. 355 JOSEPH ROTH, Radetzkymarsch (Erstausgabe Berlin 1932, zitiert nach Berlin und Weimar 1972), S. 36. 356 MATIEGKOVÁ. In: VOŠALÍKOVÁ, Von Amts wegen, S. 310; VOŠALÍKOVÁ, Einleitung zu: Von Amts wegen. 357 Zum Folgenden ROMAN SANDGRUBER, Die Anfänge der Konsumgesellschaft. Kon- sumgüterverbrauch, Lebensstandard und Alltagskultur in Österreich im 18. und 19. Jahrhundert (= Sozial- und wirtschaftshistorische Studien 15, Wien 1982), S. 153, 159–162 und 206.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Josephinische Mandarine
Subtitle
Bürokratie und Beamte in Österreich
Author
Waltraud Heindl
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2013
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
336
Keywords
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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