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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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217 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital Werte nach Außen vertrat und die Einhaltung derselben innerhalb der Familie kontrollierte. Er hatte die oberste Entscheidungsgewalt in Familienangelegenhei- ten zu üben, etwa bei Berufs- und Partnerwahl der Kinder, bei Streit mit den Dienstboten und in allen juridischen und finanziellen Angelegenheiten. In der Hauptsache aber musste er für öffentliche Angelegenheiten, für Beruf, Politik, Nation und Vaterland und für die entsprechenden Vereine, Clubs und Gesell- schaften in vielfältiger Weise zur Verfügung stehen. Wer hatte schon die entspre- chende Natur, die Kompetenzen – einschließlich der ökonomischen Mittel – und den Langmut, diese Ziele beharrlich zu verfolgen? Die Darstellungen in Memoiren, Tagebüchern und Briefen erwecken zumin- dest den Eindruck, dass Beamte und ihre Frauen dem bürgerlichen Ideal der Geschlechterrollen eifrig nachzuleben trachteten, wenn es auch nicht immer er- reichbar war. Der Sektionschef im Finanzministerium in Wien, Gustav Höfken, respektabler Vertreter des Bildungsbürgertums, beschreibt in seinen unpublizier- ten Memoiren sein Familienleben der 1850er- bis 1880er-Jahre als die reinste Idylle biedermeierlichen Zuschnitts. Wie daraus hervorgeht, war seine Existenz streng geteilt in ein Leben im Amt und in eines im Privatleben, in dem Frau und Kinder sowie ein unbeschwertes Vereinsleben die Freizeit an den Wochenenden ausfüll- ten. Auch wenn sich in den Erinnerungen von Höfken Dichtung und Wahrheit ein wenig vermischten, so beschreibt er doch seinen Kindern, für die er die Me- moiren verfasste, wie es in einer bürgerlichen Familie zugehen hätte sollen.409 Der Familie wurde ein fast heiliger Status verliehen. „Wir wollen einen Familientem- pel bauen“, schrieb Lina Höfken ihrem Verlobten vor ihrer Ehe. In einem Tempel lässt es sich verehren, aber nicht leben. Indes geht aus den Briefen, die die Ehe- leute wechselten, hervor, dass das Ehe- und Familienleben des Paares vom Ideal weit entfernt war, ja, sich so dramatisch gestaltete, dass man sich zu zeitweisen Trennungen entschloss. Selbstredend schildern sich die Beamten – wie etwa Höfken – als liebende, sich für Frau und Kinder aufopfernde Väter. Wie weit die vielbeschäftigten Bü- rokraten die Vaterrolle tatsächlich erfüllten, können wir nicht weiter verfolgen. Die Zeichen deuten darauf hin, dass auch in den Beamtenfamilien der Typ des autoritären Vaters vorherrschte, der den Kindern und der Frau mit distanzierter, aber angeblich gerechter Strenge gegenüberstand. Er empfand es als sein ange- stammtes Recht, von der Ehefrau und den Kindern respektiert zu werden, was 409 HEINDL, „Wir wollen einen Familientempel bauen …“, S. 47–56; zum bürgerlichen Lebensstil Höfkens vgl. auch HEINDL, Gehorsame Rebellen, S. 313–316.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Josephinische Mandarine
Subtitle
Bürokratie und Beamte in Österreich
Author
Waltraud Heindl
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2013
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
336
Keywords
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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