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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 241 seiner Frau verlieh sogar diesem den Stempel eines Amtes.487 Das Amt als letzter Verwalter der Universalität, wie Schmidt-Dengler meint?488 Der bürgerliche Sek- tionschef Tuzzi dagegen leitete zwar in seinem Ministerium „die einflußreichste Sektion, galt als die rechte Hand, gerüchteweise sogar als Kopf seiner Minister, und gehörte zu den wenigen Männern, die auf die Geschicke Europas Einfluß hatten“. Aber dieser einflussreiche Sektionschef, der „Nützlichkeits- und Verstan- desmensch“, „den sein Gleichgewicht niemals verließ“, wusste sich von all diesen Aktivitäten fernzuhalten. Er teilte seinen Tag pedantisch mit „unerschütterlichen Gewohnheiten“ ein, dazu gehörte einerseits das dem Adel abgeschaute entspan- nungsvolle Reiten, andererseits die unermüdliche (bürgerliche) Weiterbildung, um „sein großes sachliches Wissen auf der Höhe zu halten, in der seine Überle- genheit über die adeligen Kollegen und Vorgesetzten bestand“.489 Er beobachtete, dirigierte jedoch im Hintergrund die Vorgänge der staatspolitischen „Parallelak- tion“ (und den Salon seiner Frau), einem bedeutenden Mandarin gleich, der als letzte Instanz über die Geschicke des Staates (der Welt, des Universums) wacht.490 Nicht nur die Umkehrung der angeblichen adeligen und bürgerlichen Beam- ten-Charaktere, sondern auch die Zeichnung der so verschiedenen Beamtenqua- litäten – rastlose, nicht unbedingt sinnvolle Arbeit gegen geheimnisvolles Dirigie- ren – ist im „Mann ohne Eigenschaften“ aufschlussreich. Beide Typen allerdings sind, jeder in seiner Art, beseelte Beamte. Der Freund des Protagonisten Ulrich, Walter, „der Sohn aus gutem Haus“, repräsentiert dagegen einen gegensätzlichen Beamtentyp. Walter ist „Kunst und Kulturmensch“, Maler und Kunsthistoriker von Beruf, dem sein Vater mit 34 Jahren eine „bequeme Beamtenstellung“ in „ir- gendeinem Kunstamt“ verschafft hatte „und die Drohung damit verknüpfte, dass er ihm seine Geldunterstützung entziehen werde, wenn er sie nicht annehme“.491 Der Beamtenberuf als Brotberuf, der von Walter realistisch betrachtet und lustlos, aber offenbar prosaisch-korrekt ausgeführt wird. Ganz anders wiederum der hohe Hofbeamte Graf Stallburg, der 70 Jahre in der nächsten Umgebung des Kaisers verbracht hatte, dessen Äußeres allein den Prototyp eines hohen Hofbeamten ent- hüllt. Die Exzellenz empfing „in einem großen hohlen Prisma, in dessen Mitte 487 MUSIL, Der Mann ohne Eigenschaften, S. 89. 488 SCHMIDT-DENGLER, Der Herr im Homespun, S. 112, auch 110. 489 Alle Zitate MUSIL, Der Mann ohne Eigenschaften, S. 104 f. 490 Siehe beispielsweise im Besonderen die Kapitel „Beginnende Gegensätze zwischen alter und neuer Diplomatie“, MUSIL, Der Mann ohne Eigenschaften, S. 194–198, sowie „Weitere Entwicklung. Sektionschef Tuzzi beschließt, sich über die Person Arnheims Klarheit zu verschaffen“, S. 198–202. 491 MUSIL, Der Mann ohne Eigenschaften, S. 50.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Josephinische Mandarine
Subtitle
Bürokratie und Beamte in Österreich
Author
Waltraud Heindl
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2013
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
336
Keywords
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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