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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 247 schenderweise die Beamtenqualitäten des viel umstrittenen Sieghart, zu dessen erbittertsten Kritikern, wie erwähnt,501 der Statthalter von Niederösterreich Graf Kielmansegg zählte. Eine „eminence grise“ wäre er nicht gewesen, nimmt Ehrhart den Paradebeamten Sieghart in Schutz, doch in einem Punkt hätten ihm seine Gegner mit Recht misstraut, sie hätten „in seiner Grundeinstellung den Mangel an konservativem Einschlag“ gespürt. „Jenes wehmütige Gefühl“, so Ehrhart, „wie es bei Menschen von solchem Einschlag mitschwingt, so oft sie ein Stück des gewohnten Weltbildes verschwinden sehen, auch wenn sie die Änderung an sich für zweckmäßig und notwendig halten.“ Sieghart wäre „Neues mindestens ebenso lieb wie Altes“ gewesen, „er war nicht konservativ und konnte es nicht sein, denn er hatte keine Tradition. Der Erbe eines Gutsbesitzers, der Offizierssohn, der Abkömmling einer alten Beamtenfamilie ist irgendwo fest verwurzelt. Von der kleinen Kantorsfamilie zum Amtsgewaltigen spannt sich keine Brücke.“502 Es war nicht neu: Sieghart wurde von Ehrhart in der Beamtenwelt wegen seiner jüdi- schen Herkunft als Außenseiter empfunden. Die entscheidende Veränderung war, dass gerade dieser unabhängige Zugang von ihm als neue Qualität für die Büro- kratie der ausgehenden Monarchie bezeichnet wurde. Demnach war der ideale Beamte der Jahrhundertwende nicht nur patriotisch, Kaiser und Staat (in dieser Reihenfolge) treu ergeben, wesentlich war, dass er nicht „über die Grenze“ – nach Deutschland – schielte, weder für eine Nation noch für eine politische Bewegung Partei ergriff, dass er über Anpassungsfähigkeit und damit über Einfluss verfügte, nicht wertkonservativ war wie offenbar der Großteil der hohen Bürokratie der Jahrhundertwende, die aus der alteingesessenen Gesellschaft kam. Drei verschiedene Urteile über das Idealbild des Staatsdieners im Laufe von mehr als einem halben Jahrhundert, das aber unwandelbar an den traditionel- len Beamtentugenden festhielt. In der Krisenzeit der späten Monarchie trat al- lerdings die Wertschätzung des politischen Einflusses der Bürokratie, kombiniert mit gleichzeitiger Überparteilichkeit, hinzu. Es scheint, dass damit angesichts des politischen Versagens in der Krise das Bedürfnis der Zeit nach dem Beamten als unparteilichem Richter über Nationen und Parteien evident wird. Als aufmerksame Leserin musste es mir bei der Lektüre der autobiografischen Zeugnisse doch ein wenig verdächtig erscheinen, dass alle Karrieren, von denen die Rede war, allein den ausgeprägten Beamtentugenden und auffallenden bürokrati- schen Fähigkeiten ohne jegliche Hilfe von Verwandtschaft, Familie, (politischen) 501 Siehe Kapitel „Soziale Distinktionen“. 502 EHRHART, Im Dienste, S. 138.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Josephinische Mandarine
Subtitle
Bürokratie und Beamte in Österreich
Author
Waltraud Heindl
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2013
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
336
Keywords
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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