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2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse
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Literatur gezeichnet wird) – mit einem Wort: als den perfekten Organisator des
Staates. Ausgesprochen und unausgesprochen durchzieht das Thema von Einfluss
und Macht sowohl Fremd- wie Selbstzeugnisse. Es war das essenzielle Problem im
Leben der exekutierenden Bürokraten, hervorgerufen durch den ununterbroche-
nen Umgang mit politischer und eigener Macht beziehungsweise Ohnmacht. Es ist
schwierig, diesbezüglich hinter die mentalen Beamtenkulissen zu blicken, gerierten
sich die Staatsdiener doch sowohl als bescheiden und nicht befugt, Entscheidungen
zu treffen, als auch als die selbstsicheren Herren des Reiches. Friedländer fand, so
scheint mir, eine plausible Annäherung an das Thema: „Aber der Beamte glaubt“,
laut Friedländer, „an seine Macht“ – nicht des Einzelnen, sondern an die Macht
als Gruppe, als „Klasse“. „Alles in allem sind die Beamten in Österreich die einzige
Klasse der Bevölkerung, die man herrschende Klasse nennen kann. Aber eine Klasse
oder Kaste sind sie nun doch eigentlich nicht, denn sie rekrutieren sich aus allen
Nationen und Klassen. Die Beamtenlaufbahn ist wie die geistliche eine Wunderlei-
ter, auf der einer aus der untersten Tiefe der Gesellschaft zu Macht und hohem An-
sehen bis an die Stufen des Thrones steigen kann. Mit dem Kaiser, der ihr direkter
Chef ist, beherrschen die Beamten tatsächlich das Land.“513
Es war die Macht der Institution, die ihm von den obersten Instanzen, Kaiser
und Staat, gegeben war. Das Streben danach erschien dem Bürokraten daher als
legal, da er sich trotz der geradezu sprichwörtlichen „Bescheidenheit“ der „Her-
renklasse“ der Monarchie, der Machtzentrale von Kaiser und Regierung, zuge-
hörig fühlte.514 Als tatsächliche Repräsentanten des Kaisers, als kluge Mandarine,
hielt die Elite der Bürokratie und mit ihr die unterstellten Beamten die Fäden
der Entscheidungen in den Händen. Sie stellten an sich selbst den Anspruch, die
idealen Tugenden, patriotisch, gerecht und objektiv gegenüber allen Parteien und
Nationen, sowie tüchtig und effektiv zu sein, staatliche und gesellschaftliche Ide-
ale zu wahren, doch dabei offen gegenüber allem Neuem zu sein. Waren sie das
wirklich? Manchen Staatsdienern genügte der Anspruch!
Es ist naheliegend, dass der Generation der Autoren, die nach dem Ersten Welt-
krieg retrospektiv den „Habsburg-Mythos“ (Claudio Magris) entwarfen, gerade die
Bürokratie als passendes Symbol für das vergangene Österreich-Ungarn erschien,
als „Totenmaske des Reiches“.515 Für Magris versinnbildlichte sie im schriftstelleri-
513 FRIEDLÄNDER, Letzter Glanz der Märchenstadt, S. 75; auch HEINDL, Zum cisleithanischen
Beamtentum, S. 1208.
514 FRIEDLÄNDER, Letzter Glanz der Märchenstadt, S. 74.
515 SCHMIDT-DENGLER, Der Herr im Homespun, S. 11.
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Josephinische Mandarine
- Subtitle
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Author
- Waltraud Heindl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 336
- Keywords
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277