Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Historische Aufzeichnungen
Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
Seite - 251 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 251 - in Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich

Bild der Seite - 251 -

Bild der Seite - 251 - in Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich

Text der Seite - 251 -

2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 251 Literatur gezeichnet wird) – mit einem Wort: als den perfekten Organisator des Staates. Ausgesprochen und unausgesprochen durchzieht das Thema von Einfluss und Macht sowohl Fremd- wie Selbstzeugnisse. Es war das essenzielle Problem im Leben der exekutierenden Bürokraten, hervorgerufen durch den ununterbroche- nen Umgang mit politischer und eigener Macht beziehungsweise Ohnmacht. Es ist schwierig, diesbezüglich hinter die mentalen Beamtenkulissen zu blicken, gerierten sich die Staatsdiener doch sowohl als bescheiden und nicht befugt, Entscheidungen zu treffen, als auch als die selbstsicheren Herren des Reiches. Friedländer fand, so scheint mir, eine plausible Annäherung an das Thema: „Aber der Beamte glaubt“, laut Friedländer, „an seine Macht“ – nicht des Einzelnen, sondern an die Macht als Gruppe, als „Klasse“. „Alles in allem sind die Beamten in Österreich die einzige Klasse der Bevölkerung, die man herrschende Klasse nennen kann. Aber eine Klasse oder Kaste sind sie nun doch eigentlich nicht, denn sie rekrutieren sich aus allen Nationen und Klassen. Die Beamtenlaufbahn ist wie die geistliche eine Wunderlei- ter, auf der einer aus der untersten Tiefe der Gesellschaft zu Macht und hohem An- sehen bis an die Stufen des Thrones steigen kann. Mit dem Kaiser, der ihr direkter Chef ist, beherrschen die Beamten tatsächlich das Land.“513 Es war die Macht der Institution, die ihm von den obersten Instanzen, Kaiser und Staat, gegeben war. Das Streben danach erschien dem Bürokraten daher als legal, da er sich trotz der geradezu sprichwörtlichen „Bescheidenheit“ der „Her- renklasse“ der Monarchie, der Machtzentrale von Kaiser und Regierung, zuge- hörig fühlte.514 Als tatsächliche Repräsentanten des Kaisers, als kluge Mandarine, hielt die Elite der Bürokratie und mit ihr die unterstellten Beamten die Fäden der Entscheidungen in den Händen. Sie stellten an sich selbst den Anspruch, die idealen Tugenden, patriotisch, gerecht und objektiv gegenüber allen Parteien und Nationen, sowie tüchtig und effektiv zu sein, staatliche und gesellschaftliche Ide- ale zu wahren, doch dabei offen gegenüber allem Neuem zu sein. Waren sie das wirklich? Manchen Staatsdienern genügte der Anspruch! Es ist naheliegend, dass der Generation der Autoren, die nach dem Ersten Welt- krieg retrospektiv den „Habsburg-Mythos“ (Claudio Magris) entwarfen, gerade die Bürokratie als passendes Symbol für das vergangene Österreich-Ungarn erschien, als „Totenmaske des Reiches“.515 Für Magris versinnbildlichte sie im schriftstelleri- 513 FRIEDLÄNDER, Letzter Glanz der Märchenstadt, S. 75; auch HEINDL, Zum cisleithanischen Beamtentum, S. 1208. 514 FRIEDLÄNDER, Letzter Glanz der Märchenstadt, S. 74. 515 SCHMIDT-DENGLER, Der Herr im Homespun, S. 11.
zurück zum  Buch Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich"
Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Josephinische Mandarine
Untertitel
Bürokratie und Beamte in Österreich
Autor
Waltraud Heindl
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
336
Schlagwörter
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Josephinische Mandarine