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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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259 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? der erst von deutschen Landen (Frankfurt und Mainz) nach Österreich übersie- delt und in den Staatsdienst eingetreten war. Sohn Erasmus wurde an der Wiener Universität zum Juristen ausgebildet und trat seinen Dienst für den Staat 1882 als Konzeptspraktikant bei der Statthalterei Triest an, wechselte dann in die Be- zirkshauptmannschaft Pola (Pula) und Mitterburg-Bisino (Pazin), wurde fünf Jahre später, 1887, in das Ministerium des Inneren berufen, wo er im Landes- departement für Dalmatien, Krain, Küstenland und Tirol und anschließend im Präsidialbüro verwendet wurde. Nachdem er 1896 Sektionsrat geworden war und die Leitung des Departements für legislative Angelegenheiten der Landtage der Reichsrats- und Landtagswahlen übernommen hatte, besaß er offenbar genügend Einkommen, um 1897 mit 37 Jahren seine Kusine Elisabeth Freiin von Handel zu heiraten. Bald darauf, 1899, wurde er Ministerialrat, 1902 Statthalter in Triest und 1905, als er 45 Jahre alt war, Statthalter in Oberösterreich. Insoweit können wir von einer „normalen“ Laufbahn eines freilich sehr begabten Beamten sprechen. Jedem begabten Beamten war es aber nicht beschieden, wie Handel als Statthal- ter in Linz, zum Stellvertreter des Ministers des Inneren und für ein halbes Jahr (Dezember 1916 bis Juni 1917) zum Minister des Inneren berufen zu werden. Nach der kurzen ministeriellen Episode kehrte er als Statthalter nach Oberösterreich zurück. Aus seinen Erinnerungen geht hervor, dass es ihm trotz des offenbar über- zeugten deutsch-liberalen Vaters unmöglich war, sein „Denken in eine der politi- schen Parteidoktrinen“ einzuordnen. Er las in seiner Gymnasialzeit als Schüler des Theresianums, angeleitet von einem Präfekten, einem angeblichen „Kathederso- zialisten“, Karl Marx. Ob und wie ihn die Lektüre beeindruckte, geht aus seinen Memoiren nicht hervor, jedenfalls wurde er nationalpolitisch unabhängig – seinen Aussagen zufolge – vorwiegend geschult durch viele Kommilitonen anderer Na- tionen, die er im Theresianum und an der Universität Wien kennengelernt hatte. Er bezeichnete sich als frei von nationalen Vorlieben oder Vorurteilen. So passte es auch zu seiner Geisteshaltung, dass es ihn einerseits erbitterte, dass er, als er in Triest und im Küstenland seinen Dienst antrat, weder nach slawischen noch nach italienischen Sprachkenntnissen gefragt wurde, dass er aber andererseits in Triest das „ganze Heer der Gemeindebeamten“ irredentistisch gesinnt vorfand und ös- terreichisch-patriotische Beamte, so Handel, „schikaniert“ wurden. Er beklagt, dass auch viele „Gebildete“ keinen wirklichen Staatsbegriff besaßen. Handels Persönlichkeit wird für uns abgerundet durch die Tatsache, dass wir eine Reihe von Denkschriften zur „Staatssprache“ und zu einer neuen Verfassung in seinem Nachlass finden. Handels patriotische Gesinnung, seine nationale und politische Unparteilichkeit weisen ihn als „josephinischen“ Beamten aus.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Josephinische Mandarine
Subtitle
Bürokratie und Beamte in Österreich
Author
Waltraud Heindl
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2013
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
336
Keywords
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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