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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 269 wurde unvermeidlich. Die Spurensuche – um es vorwegzunehmen – ergab: Ja- nikowski hatte zwei Leben, die er streng getrennt voneinander führte: eines als Beamter bei Tag, das andere als Künstlerfreund, „Freigeist“, intellektuell und musisch interessierter Bohemien (als den er sich selbst des Öfteren bezeichnete) bei Nacht. Der geisteskranke Kunst- und Künstlerfreund J. passte somit dem Anschein nach so gar nicht in das Bild des streng seine Pflichten absolvierenden josephinischen Bürokraten, ja er bildet geradezu einen Gegenpol, der (aus wel- chen Gründen auch immer) trotzdem im Staatsdienst seinen Platz fand, was ihm allerdings, wie wir noch sehen werden, nicht sehr gut bekommen sollte. Oder gab es unter den Beamten weit mehr humanistisch gebildete an allen Künsten inte- ressierte Weltbürger, die sehr viel mehr zu lesen und schreiben wussten als Akten? Von Janikowskis Beamtenexistenz ist ein magerer Akt übrig geblieben, der in der dürren Amtssprache eines tabellarischen Formblattes seine Laufbahn ver- folgt.573 Von seinem zweiten Dasein als „Kultur- und Geistesmensch“ geben über 50 Briefe (nahezu alle an Karl Kraus) Aufschluss, die sich im „Teilnachlass“ von Karl Kraus in der Handschriftensammlung der Wienbibliothek im Rathaus befin- den. Sie enthüllen einen unruhigen Geist und ein zumindest in den letzten Jahren vollkommen unglückliches Leben. Die Briefe zwischen 1905 und 1908 sind so- wohl mengenmäßig als auch inhaltlich spärlich zu nennen. Sie nehmen zwischen 1908/09 und Anfang 1911, als er nach Ausbruch der Krankheit die meisten von der Krankenanstalt Steinhof aus schrieb, umfangreiche Dimensionen und sehr per- sönliche Konturen an, geben tiefe Einblicke in sein Leben und Denken.574 Dr. Ludwig Ritter von Janikowski hatte eine sehr unauffällige Beamtenkarriere hinter sich, als er 1911 jung, im Alter von nur 43 Jahren, verstarb. Ausführliche Dienstbeschreibungen, die über sein Tun und Lassen als Beamter Auskunft ge- ben würden, ein Pensionsakt, aus dem mehr über sein Leben zu erfahren gewesen wäre, wurden nicht gefunden.575 Der oben erwähnten Diensttabelle zufolge wurde Ludwig am 24. Juli 1868 in Krakau geboren. Er legte die juristischen Studien in Krakau zurück, promovierte zum Doktor juris. Er beherrschte die Sprachen Pol- nisch, Deutsch, Französisch, Russisch (in dieser Reihenfolge). Er war „vom Mi- litärdienst gänzlich befreit“, da er „im Jahr 1891 als untauglich befunden“ wurde. 573 Zum Folgenden: ÖSTA., ARCHIV DER REPUBLIK, k. k. Staatsbahnen, Personalakten – Staatsbahnen, Karton 28, fol. 1–2: Ritter von Janikowski Ludwig. Für große Hilfe danke ich Frau Hofrat Dr. Gertrude Enderle-Burcel und Frau Maria Stagl, ÖSTA. 574 Janikowski an Karl Kraus, Briefe, WIENBIBLIOTHEK IM RATHAUS, Handschriftensamm- lung, Teilnachlass Karl Kraus. 575 Auskunft Dr. Grögers, Österreichisches Staatsarchiv Wien.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Josephinische Mandarine
Subtitle
Bürokratie und Beamte in Österreich
Author
Waltraud Heindl
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2013
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
336
Keywords
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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