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Kunst und Kultur
Das zusammengedrängte Gedenken
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56 in der Ferne gelenkt. Weinberge und sanft abfallende Hügel, durch die sich das breite Band der Donau windet, bezeichnen den Ort des Geschehens als die Gegend um Heiligenstadt. Von allen Gemälden des Statthalterei-Zyklus ist dieses am stärksten der nazarenischen Tradition verpflichtet. Die dargestellte Szene ist ein ruhiger, stark verinnerlich-ter und reflexiver Moment, die Handlung innerhalb einer sonst dramatisch bewegten Erzählung wird stillgelegt und weicht der Kontemplation zukünftiger Ereignisse und deren Bedeutung in einem Zeitalter des Umbruchs. Diese Handlungshemmung des Helden resultiert hier aus Ehr- Erläuterungstext: „Der Herulerfürst steht mit seinen Kampfgenossen vor dem ältesten und ersten175 Apostel Österreichs, welcher ihm seine künftigen Siege und seine einstige Herrschaft über Italien voraussagt.“ In der Bildmitte sind der hl. Severin und Odoaker bild-parallel einander gegenübergestellt. Severin ist im Pilger-gewand mit übergezogener Kapuze176 dargestellt. Er sitzt auf einem einfachen Stuhl und hat die Linke zum Seg-nungsgestus erhoben; in der Rechten hält er ein Buch, von dem er zwei Stellen mit zwei Fingern markiert. Hinter ihm befinden sich zwei Mönche in einfachen Kutten, wobei der jüngere wohl Eugippius177 darstellt, der später das Leben seines Meisters in der bekannten Vita Sancti Severini aufzeichnete.178 Severin gegenüber steht Odoa-ker, Arme in die Hüften gestützt, einen Fellmantel über der Schulter. Die drei mit Speeren bewaffneten Krieger in einfachen Umhängen hinter ihm wiederholen das Motiv der Gruppe von Mönchen im linken Bildteil. Rechts im Hintergrund sitzen weitere Krieger, die offenbar eben-falls den Worten Severins lauschen. Der Heilige und die beiden Mönche werden vor dem Hintergrund einer ein-fachen Kapelle gruppiert, man erkennt an der Rückwand einen Altar mit Kruzifix, der Bogen mit der Säule rechts ist mit Weinlaub überwachsen. Durch dieses offene Archi-tekturelement wird der Zusammenhalt der Gruppe um Severin betont und zugleich der Blick auf die Landschaft Odoaker vor dem heiligen Severin (465 – 470) Abb. 68: „Odoaker vor dem heiligen Severin“; Fresko; Marmorsaal (Gebäude der Niederösterreichischen Statthalterei). 175 Im Programmentwurf II bezeichnet Kupelwieser Severin zunächst als den „ersten Apostel Österreichs“, er streicht aber dann das Wort „ersten“ aus dem Text, Severin ist nun „der Apostel Öster-reichs“. Als erster Missionar Österreichs galt seit jeher der heilige Florian, der schon im Jahr 304 als Märtyrer starb. Auch Carl Ruß betitelt die Federzeichnung aus seinem Zyklus zur Geschichte Wiens (ÖNB Bildarchiv: Pk 783A, Blatt 17) mit Der heilige Severin christianisiert Wien zum zweiten Mal. Trotzdem wurde die Bezeich-nung „erster Apostel Österreichs“ hier in den Erläuterungstext übernommen. 176 Bereits in Albrecht Dürers Holzschnitt Die Schutzheiligen Öster­ reichs ist Severin an zentraler Stelle ebenfalls in einfacher Mönchskutte mit über den Kopf geschlagener Kapuze und geöff-netem Buch dargestellt. 177 Eugippius (465 – 533), Kirchenschriftsteller.178 In der neueren Forschung ist umstritten, ob Eugippius Severin noch persönlich kannte. Vgl.: Pohl; Diesenberger (2001).
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Das zusammengedrängte Gedenken
Author
Sigrid Eyb-Green
Publisher
Bibliothek der Provinz
Location
Weitra
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-99028-075-1
Size
24.0 x 27.0 cm
Pages
312
Keywords
Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. Einleitung 13
  2. Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
  3. Die Genese des Bildprogramms 19
  4. Erster Programmentwurf 19
  5. Der zweite Gesamtentwurf 35
  6. Zweiter und dritter Programmentwurf 39
  7. Die Aquarellentwürfe 40
  8. Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
  9. Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
  10. Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
  11. Die gekrönte Austria 47
  12. Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
  13. LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
  14. Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
  15. Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
  16. Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
  17. Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
  18. Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
  19. Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
  20. Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
  21. Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
  22. Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
  23. Die Aufgebote von 1797 125
  24. Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
  25. Der Kongress zu Wien 1814 137
  26. Einleitungzu den Herrscherporträts 143
  27. Rudolf I 144
  28. MariaTheresia 148
  29. Maximilian I 151
  30. Joseph II 154
  31. Albrecht II 156
  32. Ferdinand II 158
  33. Ferdinand I. der Gütige 161
  34. Franz Joseph I 164
  35. Rezensionen 166
  36. Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
  37. Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
  38. Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
  39. Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
  40. Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
  41. Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
  42. Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
  43. Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
  44. Zur Herstellung der Kartons 220
  45. Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
  46. Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
  47. Die Kartons zu den Allegorien 225
  48. Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
  49. Die Kartons zu den beiden Friesen 234
  50. Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
  51. Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
  52. Übergabe aller Kartons 249
  53. Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
  54. Ausstellungen der Kartons 252
  55. Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
  56. Die Papierbahn 257
  57. Die Zeichnung 260
  58. Die Fixierung 263
  59. Die Übertragung an die Wand 265
  60. Die Fresko-Probetafeln 267
  61. Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
  62. Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
  63. Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
  64. Transparentpapiere 276
  65. Papiere für die Kartons 279
  66. Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
  67. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
  68. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
  69. Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
  70. Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
  71. Literaturverzeichnis 301
  72. Quellenverzeichnis 305
  73. Personenregister 306
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