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sowohl allegorische als auch geschichtliche
Darstellun-gen
aneinanderzureihen sind. Auch ein weiterer
wichti-ger
Punkt wird bereits angedeutet: Es sollen Momente
aus der österreichischen Geschichte gewählt werden, die
„in einer bestimmten Beziehung zur Gegenwart stehen“.34
Ebenso wird die gewünschte Wirkung dieser
geschichtli-chen
Zusammenschau, des „zusammengedrängten
Gedenkens“, bereits formuliert: Der Betrachter soll zur
Überzeugung gelangen, dass „jede Regenten Tugend in
ihrer schönsten Verherrlichung durch einen höheren Segen
zu allen Zeiten in Österreich zu finden
ist“.35In
der Folge wird die Einteilung der Decke in sieben
Bildfelder vorgeschlagen. Eine beigefügte kleine Skizze der
Decke zeigt ein rautenförmiges Mittelfeld, das von sechs
unregelmäßig fünfeckigen Bildfeldern umgeben ist. (Abb. 2)
Dieser Skizze entspricht eine am
Kunstgeschichte-institut
in Graz aufbewahrte großformatige
Bleistiftzeich-nung
von Kupelwieser, auf der sich genau diese
Auftei-lung
der Bildfelder findet und die im Folgenden als erster
Gesamtentwurf der Decke bezeichnet wird. (Abb. 7) Die
hier ausgeführten Szenen entsprechen sowohl inhaltlich
als auch in der Art der Darstellung den im ersten Pro-
Abb. 2: Detail aus dem
Programm-entwurf
I: Aufteilung der Decke;
Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a (fol. 1).
Die Genese des Bildprogramms
Zu dem Freskenzyklus im Marmorsaal gibt es drei
eigen-händig
von Kupelwieser verfasste Programmentwürfe29,
die sich im Niederösterreichischen Landesarchiv
befin-den.
Zusammen mit zahlreichen Skizzen, Pausen,
Aquarel-len
und einem Gesamtentwurf für die Wand- und
Decken-gemälde
aus dem Niederösterreichischen Landesmuseum
bzw. aus Familienbesitz belegen sie die Entwicklung des
Gesamtkonzeptes für die Ausgestaltung des Zyklus. In dem
am Institut für Kunstgeschichte der Universität Graz
wie-derentdeckten
Konvolut von über 100 Zeichnungen
Leo-pold
Kupelwiesers30 befinden sich auch einige Skizzen
und Entwürfe, die wichtige Stadien in der
Entstehungs-geschichte
des Zyklus darstellen und das Verständnis des
Konzeptes und des Arbeitsprozesses wesentlich erweitern
und ergänzen. Die Programmentwürfe sind nicht datiert,
können aber durch Vergleiche und unter Einbeziehung
von schriftlichem und bildlichem Quellenmaterial
chro-nologisch
geordnet und ungefähr datiert werden.
Erster Programmentwurf
1847 erhielt Kupelwieser durch den Vizepräsidenten der
Hofkammer, Anton Rudolf Freiherr von
Münch-Belling-hausen,
den Auftrag, Entwürfe für die Ausschmückung des
Ratsaales der Niederösterreichischen Landesregierung
aus-zuarbeiten.31
Die Wahl der Stoffe wurde dem Künstler
frei-gestellt,
sofern „die Grundgedanken ernst und geistreich“32
aufgefasst seien. Der erste Programmentwurf dürfte
unmittel-bar
nach Erteilung dieses Auftrags, also noch 1847,
entstan-den
sein und ist an den Präsidenten der allgemeinen
Hof-kammer,
Freiherrn Kübeck von Kübau, adressiert. (Abb.
3–6)Hier
werden die Aufteilung der Decke und der Wände
skizziert sowie die einzelnen Bildthemen erstmals
formu-liert.33
Der Text ist sehr flüchtig geschrieben und enthält
zahlreiche Korrekturen, Hinzufügungen und
Wiederho-lungen.
Wahrscheinlich diente er als Vorlage einer
spä-teren
Reinschrift. Kupelwieser hatte bereits zu einem
früheren Zeitpunkt einen Gesamtentwurf und vier
Aqua-rellentwürfe
zu dem Zyklus vorgelegt, auf die er im ersten
Programmentwurf Bezug
nimmt.Am
Anfang des Textes stehen allgemeine
Überlegun-gen
zu der gestellten Aufgabe. Besonders hier zeugen
zahlreiche nicht zu Ende geführte oder unvollständige
Sätze, Umformulierungen und sprunghafte Wendungen
von dem gedanklichen Prozess, der zu Beginn um
ver-schiedene
Möglichkeiten der Auffassung und
Ausgestal-tung
kreiste. Schon zu diesem Zeitpunkt stand aber fest,
dass zur „möglichst zweckmäßigen Anwendung der Kunst“ 29 Die vollständigen Transskripte der drei Programmentwürfe finden
sich im Anhang. Zur besseren Lesbarkeit werden im Folgenden die
Zitate aus den Programmentwürfen orthographisch angepasst und
leicht bearbeitet
wiedergegeben.30
Zur Provenienz und Geschichte des Konvoluts von 114
Zeichnun-gen
Leopold Kupelwiesers am Institut für Kunstgeschichte der
Universität siehe: Ploder
(2007).31
Forstreiter (1930) p.
71ff.32
Kielmannsegg (1891)
Einleitung.33
Anmerkung zu den Bildtiteln: Die Titel für die einzelnen Bilder
wurden aus den Formulierungen im Erklärungstext zu dem
Fres-kenzyklus
(Ohne Autor: Die Al Fresco Malereien im Saale der k. k.
Statthalterei zu Wien, ausgeführt von Kupelwieser, Wien, o.J., um 1850)
abgeleitet und der heutigen Schreibweise angepasst. Die Bildtitel
werden in dieser Form in Überschriften angeführt. Bei Zitaten
einzelner Bildtitel im Text wird der Titel verkürzt wiedergegeben
und kursiv
geschrieben.34
Programmentwurf I, siehe
Anhang.35
Ursprünglich hieß es im Text, dass jede Regenten-Tugend in
Öster-reich
zu finden „war“, das Verb wurde ins Präsens ausgebessert.
Programmentwurf I, siehe Anhang.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Das zusammengedrängte Gedenken
- Author
- Sigrid Eyb-Green
- Publisher
- Bibliothek der Provinz
- Location
- Weitra
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-99028-075-1
- Size
- 24.0 x 27.0 cm
- Pages
- 312
- Keywords
- Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Einleitung 13
- Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
- Die Genese des Bildprogramms 19
- Erster Programmentwurf 19
- Der zweite Gesamtentwurf 35
- Zweiter und dritter Programmentwurf 39
- Die Aquarellentwürfe 40
- Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
- Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
- Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
- Die gekrönte Austria 47
- Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
- LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
- Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
- Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
- Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
- Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
- Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
- Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
- Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
- Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
- Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
- Die Aufgebote von 1797 125
- Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
- Der Kongress zu Wien 1814 137
- Einleitungzu den Herrscherporträts 143
- Rudolf I 144
- MariaTheresia 148
- Maximilian I 151
- Joseph II 154
- Albrecht II 156
- Ferdinand II 158
- Ferdinand I. der Gütige 161
- Franz Joseph I 164
- Rezensionen 166
- Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
- Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
- Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
- Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
- Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
- Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
- Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
- Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
- Zur Herstellung der Kartons 220
- Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
- Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
- Die Kartons zu den Allegorien 225
- Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
- Die Kartons zu den beiden Friesen 234
- Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
- Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
- Übergabe aller Kartons 249
- Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
- Ausstellungen der Kartons 252
- Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
- Die Papierbahn 257
- Die Zeichnung 260
- Die Fixierung 263
- Die Übertragung an die Wand 265
- Die Fresko-Probetafeln 267
- Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
- Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
- Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
- Transparentpapiere 276
- Papiere für die Kartons 279
- Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
- Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
- Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
- Literaturverzeichnis 301
- Quellenverzeichnis 305
- Personenregister 306