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Kunst und Kultur
Das zusammengedrängte Gedenken
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201 geboten hätte.746 Sehr schnell hatten sich Kartons also von ihrer Funktion innerhalb der Werkgenese gelöst und wurden nicht nur in Bezugnahme auf das ausgeführte Wandbild, sondern zugleich auch als autonome Kunst-werke wahrgenommen. Ein unmittelbarer Verweis auf Künstler der Hochrenaissance wie Leonardo oder Michel-angelo, die in Florenz ihre Kartons öffentlich präsentier-ten, konnte dabei bisher nicht belegt werden. Dass es zu einer Aufwertung der Kartonzeichnung kommen konnte, steht in gewissem Widerspruch zur naza-renischen Programmatik, nach der Wandgemälde ihre volkstümliche Wirksamkeit und ihren appellativen Cha-rakter gerade in Zusammenhang mit ihrer Ortsgebunden-heit entfalten sollten. Schnorr schreibt dazu an Görres: „In geistiger und körperlicher Hinsicht gehören ihre [der Freskenmaler, Anm.] Werke demjenigen Flecklein Erde, wo sie entstehen, so eigentlich an, sie sind mit Gott, der Natur und der Zeit im schönsten Einklang und kein gebildeter Barbar [nach Büttner eine Anspielung auf die Kunstpolitik Napo­ leon, Anm.] führt sie weg.“747 Farbe wurde nach dem Prinzip der Loslösung von der Gegenstandsbezeichnung eingesetzt und erhielt eine wichtige symbolische und kennzeichnende Funktion, was in der Folge besonders im Frühwerk der ersten Generation Nazarener zu einem sehr bunten Eindruck führt. Dem Karton fehlt aber sowohl die Einbindung in einen architektonischen Kontext als auch die Farbe. Die-ser Widerspruch lässt sich nur im Bewusstsein des grund-legenden Verständnisses der Nazarener von Natur und ihrem Abbild erklären. Denn nicht die Naturtreue im Detail und die farbige Materialisierung allgemein waren ihre Absicht, sondern die möglichst reine Übersetzung ihrer komplexen Gedankengebäude. Max Schasler formu-lierte dies besonders prägnant: „Es kam hier Alles auf die Composition als solche an, weil sich durch sie durch die farblose Lineatur das rein Gedank­ liche des darzustellenden Ideenzyklus allein in der nöthigen Durchsichtigkeit der abstrakten Form wiedergeben ließ.“748 So wurde das Fehlen von Farbe zum Mittel der Abstrak-tion, die notwendig war, um dem symbolischen Gehalt des Bildinhaltes gerecht zu werden. In diesem Sinn ist wissenschaften entsprach in der Geschichtsmalerei der Rückgriff auf bildliche Quellen. Das Bemühen um Authentizität in der Darstellung kann als Suche nach den Ursprüngen gelesen werden, nach dem, was wirklich war, es ist ein Versuch der Vergegenwärtigung und Über-brückung von zeitlichen Distanzen zu einer verbinden-den Vergangenheit, die durch möglichst genaue Wieder-holung im Bild als Kontinuität in die Gegenwart konstruiert wurde. Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“Über die Kartonkunst der Nazarener und ihres Umkreises sind in den letzten Jahren mehrere Publikationen erschie-nen, von Werner Buschs allgemeinen Betrachtungen742 zu Beiträgen in Ausstellungskatalogen, die Funktion und Bedeutung von Kartons bei Künstlern wie Friedrich Over-beck743, Julius Schnorr von Carolsfeld744 oder Joseph von Führich745 diskutieren. Im Folgenden soll ein Überblick über den Stand der Forschung gegeben und Kupelwiesers Statthalterei-Kartons in den Kontext nazarenischen Kunstschaffens gestellt werden. Werner Busch führt die Entstehung der Kartonkunst auf Jakob Asmus Carstens Reflexionen zur Kant’schen Theo rie über Kunst und die Rolle des Künstlers zurück. Kant formulierte erstmals den Autonomieanspruch des Künstlers selbst, der die Menschheit durch seine Kunst an seinen Ideen teilhaben lässt. Kunst kann in der Folge nicht nach den Normen akademischer Richtigkeit beurteilt wer-den, sondern nur danach, inwieweit es ihr gelungen ist, die künstlerische Idee zu kommunizieren. Daraus ergibt sich eine Verschiebung des Stellenwertes von Maltechnik und traditionellem Bildaufbau hin zu der Idee und dem einmaligen schöpferischen Akt ihrer Konkretisierung. Das am wenigsten materielle Medium, die Zeichnung, erschien Kant zur reinen Wiedergabe dieser Idee am angemessens-ten. Aus diesem Ansatz leiteten zunächst Carsten und in der Folge Overbeck, der Carsten aus seiner Jugendzeit kannte, den Anspruch des Kartons ab, das eigentliche Wesen des Kunstwerks, die Idee, bereits zu enthalten und unverfälscht in Erscheinung bringen zu können.Schon die ersten Gemeinschaftsprojekte der Nazare-ner in Rom sind Zeugnis des Bestrebens der jungen Künstler, die deutsche Kunst durch öffentlich wirksame, religiös-historische Wandbilder zu erneuern. Geprägt wurde diese neue Monumentalkunst von italienischen Fresken der Früh- und Hochrenaissance. Bereits für die freskale Ausstattung der Casa Bartholdy (1815 – 1817) wurden dabei die Kartons mit weit größerer Sorgfalt aus-geführt, als es die rein arbeitstechnische Notwendigkeit 742 Busch (1985) p. 306 – 319.743 Gerkens (1994) p. 23 – 34.744 Kuhlmann-Hodick (1999) p. 36 – 47. 745 Reiter (2005) p. 207 – 252.746 Frank Büttner vermerkt, dass die Arbeiten in der Casa Bartholdy deshalb so langsam vor sich gingen, weil die Künstler sehr viel Zeit für das Zeichnen der Kartons aufwendeten. Siehe dazu: Büttner (1981) p. 283.747 Brief von Cornelius an Görres, zit. nach: Kuhlmann-Hodick (1999) p. 43, Anm. 34.748 Schasler (1854) p. 18.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Das zusammengedrängte Gedenken
Author
Sigrid Eyb-Green
Publisher
Bibliothek der Provinz
Location
Weitra
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-99028-075-1
Size
24.0 x 27.0 cm
Pages
312
Keywords
Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. Einleitung 13
  2. Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
  3. Die Genese des Bildprogramms 19
  4. Erster Programmentwurf 19
  5. Der zweite Gesamtentwurf 35
  6. Zweiter und dritter Programmentwurf 39
  7. Die Aquarellentwürfe 40
  8. Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
  9. Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
  10. Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
  11. Die gekrönte Austria 47
  12. Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
  13. LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
  14. Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
  15. Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
  16. Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
  17. Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
  18. Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
  19. Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
  20. Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
  21. Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
  22. Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
  23. Die Aufgebote von 1797 125
  24. Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
  25. Der Kongress zu Wien 1814 137
  26. Einleitungzu den Herrscherporträts 143
  27. Rudolf I 144
  28. MariaTheresia 148
  29. Maximilian I 151
  30. Joseph II 154
  31. Albrecht II 156
  32. Ferdinand II 158
  33. Ferdinand I. der Gütige 161
  34. Franz Joseph I 164
  35. Rezensionen 166
  36. Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
  37. Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
  38. Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
  39. Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
  40. Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
  41. Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
  42. Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
  43. Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
  44. Zur Herstellung der Kartons 220
  45. Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
  46. Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
  47. Die Kartons zu den Allegorien 225
  48. Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
  49. Die Kartons zu den beiden Friesen 234
  50. Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
  51. Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
  52. Übergabe aller Kartons 249
  53. Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
  54. Ausstellungen der Kartons 252
  55. Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
  56. Die Papierbahn 257
  57. Die Zeichnung 260
  58. Die Fixierung 263
  59. Die Übertragung an die Wand 265
  60. Die Fresko-Probetafeln 267
  61. Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
  62. Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
  63. Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
  64. Transparentpapiere 276
  65. Papiere für die Kartons 279
  66. Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
  67. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
  68. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
  69. Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
  70. Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
  71. Literaturverzeichnis 301
  72. Quellenverzeichnis 305
  73. Personenregister 306
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