Page - 168 - in Das zusammengedrängte Gedenken
Image of the Page - 168 -
Text of the Page - 168 -
168 nicht geringe ist, doch wie die Könige glücklich sind … es
ist ein verzweifeltes Ding, so ein ganzes Zimmer auszumalen
auf eine Weise, die man nie zuvor weder selbst getrieben hat
noch auch von anderen hat treiben sehn. Da zeigt sich’s was
einer kann, und was einer nicht kann.“554
Inhaltlich wurde in der nazarenischen Freskomalerei in
Analogie zur monumentalen Größe des Bildes auch
innere Größe des Stoffes verlangt und man legte das
Motiv damit ganz allgemein auf historische und religiöse
Themen fest. In Zusammenhang mit der Forderung nach
Öffentlichkeit, die Cornelius schon in seinem eingangs
erwähnten Brief an Joseph Görres eindringlich
formu-lierte,
beansprucht das Fresko unmittelbare politische
Wirksamkeit und wurde zur gesellschaftlich wichtigsten
künstlerischen Aussage. Overbeck schrieb während der
ersten Gemeinschaftsarbeit der Nazarener in der Casa
Bartholdy an Vogel:
„Uebrigens bauen wir täglich neue Luftschlösser von auszu
malenden Kirchen, Klöstern und Pallästen – in Deutsch
land; und kommen wir einmal zurück, so malen wir Euch
Alles in Fresco aus!“555
Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten
Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil
Das Fresko als Idee ist gemäß der nazarenischen
Pro-grammatik
das Ergebnis eines Zusammenspiels der sich
wechselseitig bedingenden Faktoren Bildträger, Technik,
Thema und Funktion, das den Gattungsbegriff neu
defi-niert
und das Fresko vor allen anderen künstlerischen
Äußerungen nobilitiert. Aber seine „Wiederbelebung“
durch die Nazarener und der Wahrheitsanspruch von
Inhalt, Form und Ausführung erweisen sich bei näherer
Überprüfung der frühen Arbeiten der jungen Künstler
als sorgfältig konzipiertes Konstrukt. So etwa stellt sich
die Wiederentdeckung der Freskotechnik nach langer
Vergessenheit als Projektion heraus, denn Cornelius
hatte schon nach 1806 im Neusser Münster
Kuppelbil-der
ausgeführt, die 1859/60 zerstört wurden, und Becker
belegt, dass der Maler Franz Catel, bei dem Overbeck
und andere Nazarener Perspektive-Unterricht nahmen,
wenige Jahre vor der Ausführung der Wandmalereien in
der Casa Bartholdy ein Landhaus mit Fresken ausge-
„In den meisten Gemählden findet man nur eine gewisse
Ordnung der Farben, die aber keinen anderen Zweck
hat, als dem Auge zu schmeicheln und die Übergänge
von einem Gegenstand zu dem andern sanft zu machen,
dadurch dann die Harmonie der Farben hervorgebracht
wird; unser Bemühen ist aber eine Harmonie des Menschen
den ich vorstelle, mit den Farben seines Gewandes hervor
zu bringen.“552
Jeder Bildgegenstand wird also isoliert gemäß seinem
Charakter gestaltet, was in der Folge zu einem stark
lokalfarbig bunten Eindruck führt.
Die Technik der Freskomalerei erwies sich zunächst dem
nazarenischen Stilverständnis gerade durch ihre schwere
Handhabbarkeit und die Einschränkungen, die sie dem
Künstler auferlegt, in besonderem Maße angemessen.
Die von den jungen Künstlern so verachteten
maleri-schen
Effekte von Virtuosität, tonigem Kolorit und
aus-geprägtem
Pinselduktus, charakteristisch für die
Ölma-lerei
der Zeit, erlaubt das Fresko ebenso wenig wie
spätere Überarbeitungen und Retuschen.
„Zur Handhabung der Freskomalerei gehört eine Entschie
denheit in der Auffassung, eine sichere Hand, indem ein
Verändern und Verbessern wie in der Oelmalerei nicht
angänglich ist […]“553,
heißt es in Hagens Werk zur deutschen Kunst im
19. Jahrhundert.
Die Freskomalerei schuf für die jungen Künstler
zudem die Möglichkeit, das Ideal der mittelalterlichen
Werkstattarbeit, das im Wesentlichen auf Wackenroders
Schriften vom Ende des 18. Jahrhunderts zurückgeht,
wieder auferstehen zu lassen. Das Konzept eines
Meister-Schüler-Verhältnisses,
mit dem man direkt an die großen
Vorbilder Dürer und Raffael anzuknüpfen meinte,
bil-dete
dabei ein Gegenmodell zur gängigen akademischen
Praxis. Dieses solide Arbeitsverhältnis und die typisch
handwerklichen Anforderungen Sorgfalt, Geschick und
Kraft, welche die Freskomalerei vom Künstler verlangt,
bedeuteten den Nazarenern nicht nur Rückbezug auf
eine große Vergangenheit, sondern wurden zum
notwen-digen
Teil künstlerischer Selbstverwirklichung und
Ver-söhnung
mit dem Leben. Die Begeisterung über die
harte körperliche Arbeit, die zum integralen Bestandteil
der künstlerischen Tätigkeit geworden war, lässt sich mit
zahlreichen Stellen in Briefen belegen. Exemplarisch sei
ein Brief Overbecks zitiert, den er während der Arbeit an
der Casa Bartholdy 1816 schrieb:
„Von unserer Frescomalerei […] nur so viel, daß wir oft,
trotz aller Plage dabei und allen Jammers, der wahrlich 552 Brief von Pforr an Passavant vom 9. August 1808, zit. nach: Fastert
(2000) p.
56f.553
Hagen (1867) 2. Bd., p.
184.554
Zit. nach: Howitt (1886) p.
329.555
Ebd. 1. Bd., p. 388.
back to the
book Das zusammengedrängte Gedenken"
Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Das zusammengedrängte Gedenken
- Author
- Sigrid Eyb-Green
- Publisher
- Bibliothek der Provinz
- Location
- Weitra
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-99028-075-1
- Size
- 24.0 x 27.0 cm
- Pages
- 312
- Keywords
- Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Einleitung 13
- Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
- Die Genese des Bildprogramms 19
- Erster Programmentwurf 19
- Der zweite Gesamtentwurf 35
- Zweiter und dritter Programmentwurf 39
- Die Aquarellentwürfe 40
- Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
- Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
- Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
- Die gekrönte Austria 47
- Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
- LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
- Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
- Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
- Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
- Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
- Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
- Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
- Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
- Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
- Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
- Die Aufgebote von 1797 125
- Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
- Der Kongress zu Wien 1814 137
- Einleitungzu den Herrscherporträts 143
- Rudolf I 144
- MariaTheresia 148
- Maximilian I 151
- Joseph II 154
- Albrecht II 156
- Ferdinand II 158
- Ferdinand I. der Gütige 161
- Franz Joseph I 164
- Rezensionen 166
- Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
- Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
- Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
- Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
- Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
- Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
- Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
- Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
- Zur Herstellung der Kartons 220
- Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
- Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
- Die Kartons zu den Allegorien 225
- Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
- Die Kartons zu den beiden Friesen 234
- Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
- Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
- Übergabe aller Kartons 249
- Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
- Ausstellungen der Kartons 252
- Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
- Die Papierbahn 257
- Die Zeichnung 260
- Die Fixierung 263
- Die Übertragung an die Wand 265
- Die Fresko-Probetafeln 267
- Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
- Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
- Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
- Transparentpapiere 276
- Papiere für die Kartons 279
- Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
- Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
- Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
- Literaturverzeichnis 301
- Quellenverzeichnis 305
- Personenregister 306