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dringung, seiner Symmetrie und den vielfältigen Bezügen
barocken Traditionen verpflichtet. Vor allem die
Organi-sation
der Decke durch eine zentrale allegorische
Dar-stellung,
deren Aspekte in den umgebenden Bildfeldern
gleichsam in historische Momente übersetzt werden,
erinnert etwa an das Ordnungsprinzip in Cesare Ripas
Iconologia, in dem Personifizierung und szenische
Inter-pretation
im Sinne einer möglichst komplexen Erfassung
des Begriffs stets einander gegenübergestellt werden.
Möglicherweise sollten daher Vorbilder zu Kupelwiesers
Bildprogramm entsprechend auch in Werken des Barock
gesucht werden.
Hier bietet sich ein Vergleich mit dem Kuppelfresko
des Kaisersaales im Stift Klosterneuburg von Daniel Gran
aus dem Jahr 1749 an. Nicht nur in der Rhythmisierung
der dargestellten Ereignisse, auch in der Wahl der
einzel-nen
Bildthemen lassen sich auffallende Ähnlichkeiten
besonders zwischen den frühen Entwürfen Kupelwiesers
und den Klosterneuburger Fresken feststellen, die
Kupel-wieser
gut gekannt haben muss, da er enge Kontakte zu
dem Stift pflegte.110 Daniel Gran erstellte das historische
Programm für das Kaisersaal-Fresko selbst, wobei er als
Hauptquelle den Österreichischen Ehrenspiegel111 angibt.
Sein Inhalt trägt der besonderen Stellung, die das Stift in
der Geschichte Österreichs und seiner Herrscherhäuser
innehatte, Rechnung. Auch hier dominiert nicht eine
Herrscherfigur, sondern eine Reihe von Regenten.
„Meine […] meinung wäre, dass in diesem saal sich ein
solches concept zum besten schicken würde, welches nicht
auf eine person allein alludieren täte, sondern so wohl auf
die gewesenen, als gegenwärtigen und zukünftigen regenten
in Österreich kunnte ausgelegt werden. Wollte also vorstel
len: Die glorie und majestät des hauses von Österreich, in
Der Freskenzyklus
Einleitung und Überblick
Leopold Kupelwieser gliederte die flächige Wölbung der
Decke in sieben regelmäßig angeordnete Bildfelder, ein
Schema, das auf die italienische Kunst des 14. und
15. Jahrhunderts zurückgeht und das auch die Gruppe
der Nazarener bei der Ausstattung des Casino Massimo106
in Rom wieder aufgriffen.107 Die Aufteilung der Decke im
Marmorsaal entspricht zu großen Teilen der von Julius
Schnorr von Carolsfeld gestalteten Decke im Ariost-Saal
des Casino Massimo. Dabei verzichtete Kupelwieser auf
Raumillusionen und reihte seine Bilder, durch
architek-tonisch-ornamentale
Rahmung voneinander getrennt,
kaleidoskopartig aneinander. Jede Darstellung ist eine in
sich geschlossene eigenräumliche Illusion, Eckhart
Vancsa vergleicht sie mit einzelnen „Fenstern“, die
Aus-blicke
schaffen auf Szenerien, die gleichsam „hinter der
realen Architektur“
liegen.108Das
ikonographische Programm des Zyklus ist ein
komplexes System von Darstellungen, die in
vielschichti-ger
Weise miteinander in Beziehung stehen. Damit
unter-scheidet
es sich wesentlich von den drei großen, in
Deutschland entstandenen Ausstattungszyklen.
Wenngleich in den einzelnen Kompositionen eine
gewisse Nähe zu den Wandgemälden in den Kaisersälen
der Münchner Residenz von Schnorr von Carolsfeld
besteht, legte Kupelwieser sein Bildprogramm doch
grundlegend anders an. Während sowohl die Gemälde in
den Kaisersälen der Münchner Residenz als auch die
Karlsfresken Rethels im Aachener Rathaus thematisch um
Rudolf I., Kaiser Friedrich Barbarossa und Karl den
Gro-ßen
angeordnet sind, beschränkte Kupelwieser seine
Dar-stellung
der Geschichte des Landes nicht auf die Taten
einzelner Herrscher. Sein Zyklus umfasst nicht nur einen
wesentlich größeren Zeitraum, er erweiterte das Spektrum
auch auf Persönlichkeiten aus der Geschichte des
Chris-tentums,
auf Heerführer, Politiker und sogar einfache
Bürger, deren wichtige Rolle und vorbildliches Verhalten
in den Programmentwürfen mehrfach betont werden.
Nicht zuletzt unterscheidet die Ordnung und
Deu-tung
des historischen Geschehens nach „geistig
histori
schen Prinzipien“109 durch allegorische Darstellungen die
Statthalterei-Fresken von der chronologischen
Aufrei-hung
der einzelnen geschichtlichen Ereignisse bei den
Münchner Hofgartenarkaden. Im Vergleich dazu erscheint
Kupelwiesers Programm in seiner allegorischen Durch- 106 Kupelwieser sah die noch in Entstehung begriffenen
Fresko-arbeiten
im Casino Massimo bei seinem Rom-Aufenthalt
1824.107
Das Ausstattungs-Schema des Ariost-Saales geht seinerseits auf
Raffaels Sala del Psiche in der Farnesina in Rom zurück, vgl.:
Gerstenberg; Rave (1934) p.
89.108
Vansca (1973) p.
155.109
Feuchtmüller (1970) p.
230.110
Neben zahlreichen Aufenthalten kam es auch zu zwei größeren
Aufträgen: 1833 schuf Kupelwieser ein neues Hochaltar-Bild für
die Stiftskirche, 1847 gestaltete er die Altarwand der von Roesner
geplanten Friedhofskapelle in Klosterneuburg mit dem Fresko Das
Letzte Gericht. Nicht zuletzt durch die enge Freundschaft mit dem
Architekten Carl Roesner, dessen Bruder Ambros Chorherr in
Klosterneuburg war, war Kupelwieser dem Stift eng
verbunden.111
Fugger (1668).
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Das zusammengedrängte Gedenken
- Author
- Sigrid Eyb-Green
- Publisher
- Bibliothek der Provinz
- Location
- Weitra
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-99028-075-1
- Size
- 24.0 x 27.0 cm
- Pages
- 312
- Keywords
- Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Einleitung 13
- Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
- Die Genese des Bildprogramms 19
- Erster Programmentwurf 19
- Der zweite Gesamtentwurf 35
- Zweiter und dritter Programmentwurf 39
- Die Aquarellentwürfe 40
- Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
- Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
- Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
- Die gekrönte Austria 47
- Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
- LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
- Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
- Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
- Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
- Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
- Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
- Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
- Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
- Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
- Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
- Die Aufgebote von 1797 125
- Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
- Der Kongress zu Wien 1814 137
- Einleitungzu den Herrscherporträts 143
- Rudolf I 144
- MariaTheresia 148
- Maximilian I 151
- Joseph II 154
- Albrecht II 156
- Ferdinand II 158
- Ferdinand I. der Gütige 161
- Franz Joseph I 164
- Rezensionen 166
- Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
- Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
- Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
- Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
- Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
- Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
- Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
- Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
- Zur Herstellung der Kartons 220
- Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
- Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
- Die Kartons zu den Allegorien 225
- Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
- Die Kartons zu den beiden Friesen 234
- Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
- Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
- Übergabe aller Kartons 249
- Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
- Ausstellungen der Kartons 252
- Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
- Die Papierbahn 257
- Die Zeichnung 260
- Die Fixierung 263
- Die Übertragung an die Wand 265
- Die Fresko-Probetafeln 267
- Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
- Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
- Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
- Transparentpapiere 276
- Papiere für die Kartons 279
- Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
- Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
- Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
- Literaturverzeichnis 301
- Quellenverzeichnis 305
- Personenregister 306