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„Bei dem Eintritte in den Saal erblickt man zuerst die drei
hervorleuchtendsten Gestalten des Habsburgischen Erzhau
ses, Rudolf I., Maria Theresia und Maximilian I.
[…].“497Der
Eintretende nahm zunächst das Porträt Maria
The-resias
wahr, deren mütterliche Fürsorge allen ihren
Unter-tanen
galt, man begab sich also beim Betreten des Saales
gleichsam in die Obhut des sorgend bemühten
Staates.Umgekehrt
blickte der Präsident der
Niederösterrei-chischen
Statthalterei, der mit dem Rücken zu der
Fens-terreihe,
der großen Eingangstüre zugewandt, in der
Mitte des Raumes zu sitzen kam, geradewegs auf Kaiser
Joseph II. und die ihm beigegebenen allegorischen
Figu-ren
des Eifers und der Betriebsamkeit. Joseph II., der mit
Hilfe der unter ihm ausgebauten Bürokratie die
Verwal-tung
der habsburgischen Länder zentralisierte und
zugleich gerne als Menschenfreund und unermüdlicher
Helfer der Armen oder Kranken dargestellt wurde, könnte
zusammen mit den allegorischen Figuren dem
amtieren-den
Präsidenten der Statthalterei und seinen Beamten als
ständiges Vorbild vor Augen geführt worden sein.
Die den Herrscherporträts beigegebenen Figuren
stehen direkt in der barocken Tradition der
Personifika-tionen,
wie sie Cesare Ripa in seinem Werk Iconologia
darstellte und klassifizierte. In der Bibliothek der
Akade-mie
befindet sich eine illustrierte Ausgabe der Iconolo
gia aus dem Jahr 1764, die Kupelwieser mit großer
Wahr-scheinlichkeit
zugänglich war.498
Einleitung zu den Herrscherporträts
Die acht Stichkappenfelder sind mit Porträts
habsburgi-scher
Herrscher geschmückt, denen jeweils zwei
allego-rische
Figuren beigefügt sind, welche auf die
herausra-genden
Herrschertugenden des dargestellten Regenten
verweisen. Dabei wird ein Tugend-Kanon entwickelt,
dessen übersichtliches Schema eine Strukturierung und
Rhythmisierung der Geschichte erleichtert.494 Es
han-delt
sich dabei nicht um eine Porträtsammlung im Sinne
einer Ahnengalerie, denn die Aufreihung der Herrscher
ist weder vollständig noch chronologisch; vielmehr soll
hier durch herausragende Persönlichkeiten der
Habs-burgerdynastie
in Verbindung mit den Personifikationen
der Tugenden noch einmal der Hauptgedanke des
Zyklus verdeutlicht werden, nämlich dass „jede Regenten
Tugend in ihrer schönsten Verherrlichung durch einen höhe
ren Segen zu allen Zeiten in Österreich zu finden
ist“.495Die
Herrscherporträts können in drei Gruppen geteilt
werden: die drei zentralen Figuren österreichischer
Geschichte, Rudolf I., Maximilian I. und Maria Theresia,
ihnen gegenüber Albrecht II., Joseph II. und Ferdinand II.,
und an den Schmalseiten des Raumes über den Türen
Ferdinand I. der Gütige und Franz Joseph I., in deren
Regierungszeiten der Bau und die künstlerische
Ausstat-tung
der Niederösterreichischen Statthalterei fiel.
Möglicherweise bezog Leopold Kupelwieser bei der
Anordnung der einzelnen Porträts innerhalb des Zyklus
die jeweiligen Positionen und möglichen Blickachsen
der Benutzer des Raumes in seine Planung ein.496 Schon
im Erläuterungstext aus dem Jahr 1851 heißt es
diesbe-züglich:
494 Zum Kanon herrscherlicher Tugenden vgl: Telesko (2006) p.
35f.495
Programmentwurf I, siehe Anhang.
496 Dankenswerter Hinweis von Martin Pammer (Österreichisches
Außenministerium).
497 Die al Fresco Malereien im Saale der k. k. Statthalterei zu Wien, aus
geführt von Kupelwieser. Wien, Verlag Keck und Pierer, nicht
datiert, um 1851. Bibliothek der Akademie der bildenden Künste
Wien, Inv. Nr. 1777
C.498
Cesare Ripa: Iconologia. 5 Bde., Bibliothek der Akademie der
bildenden Künste, Inv. Nr. 3618. Die niedrige Inventarnummer
verweist darauf, dass das Werk schon sehr früh für die Bibliothek
der Akademie der bildenden Künste erworben worden war.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Das zusammengedrängte Gedenken
- Author
- Sigrid Eyb-Green
- Publisher
- Bibliothek der Provinz
- Location
- Weitra
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-99028-075-1
- Size
- 24.0 x 27.0 cm
- Pages
- 312
- Keywords
- Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Einleitung 13
- Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
- Die Genese des Bildprogramms 19
- Erster Programmentwurf 19
- Der zweite Gesamtentwurf 35
- Zweiter und dritter Programmentwurf 39
- Die Aquarellentwürfe 40
- Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
- Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
- Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
- Die gekrönte Austria 47
- Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
- LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
- Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
- Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
- Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
- Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
- Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
- Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
- Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
- Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
- Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
- Die Aufgebote von 1797 125
- Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
- Der Kongress zu Wien 1814 137
- Einleitungzu den Herrscherporträts 143
- Rudolf I 144
- MariaTheresia 148
- Maximilian I 151
- Joseph II 154
- Albrecht II 156
- Ferdinand II 158
- Ferdinand I. der Gütige 161
- Franz Joseph I 164
- Rezensionen 166
- Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
- Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
- Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
- Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
- Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
- Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
- Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
- Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
- Zur Herstellung der Kartons 220
- Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
- Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
- Die Kartons zu den Allegorien 225
- Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
- Die Kartons zu den beiden Friesen 234
- Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
- Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
- Übergabe aller Kartons 249
- Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
- Ausstellungen der Kartons 252
- Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
- Die Papierbahn 257
- Die Zeichnung 260
- Die Fixierung 263
- Die Übertragung an die Wand 265
- Die Fresko-Probetafeln 267
- Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
- Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
- Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
- Transparentpapiere 276
- Papiere für die Kartons 279
- Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
- Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
- Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
- Literaturverzeichnis 301
- Quellenverzeichnis 305
- Personenregister 306