Seite - 12 - in Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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Vorwort
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Minister. Die Maßnahme verfolgte den Zweck, die Arbeitsverhältnisse im Staats-
dienst denen der Privatangestellten anzugleichen.
Öffentlichkeit und Medien sind traditionell der Bürokratie nicht freundlich
gesinnt. Sie klatschten dem Abbau der altgedienten bürokratischen Strukturen
Beifall, weil er angebliche Privilegien auf Staatskosten abschaffte. Es wurde kaum
überlegt, dass der Prozess der „modernen Entbürokratisierung“ gewissermaßen
das Gegenteil, einen Rückfall in vormoderne Zeiten, bedeutete, wo absolute Re-
genten „ihre“ Beamten einsetzen, nach frei verhandelten Gagen bezahlen und
jederzeit wieder entlassen konnten. Die heiß erkämpfte Einführung der Unkünd-
barkeit hatte ursprünglich das Ziel, die Beamten an die Gesetze des Staates (und
nicht an die Allmacht des Regenten) zu binden und die Diener des Staates zur
freien Meinungsäußerung gegenüber den politischen Instanzen zu verpflichten,
ohne dass Sanktionen befürchtet werden mussten. Es war dies ein wegweisen-
der Schritt zum europäischen Rechtsstaat mit einem ausgefeilten bürokratischen
System inklusive Instanzenzug, das den Bürgerinnen und Bürgern mehr Rechts-
sicherheit vor Übergriffen der Politik verschaffte. Nun verfiel man auf die Idee,
dass unsere moderne Demokratie dieses bürokratischen Systems nicht mehr be-
dürfe. Als Repräsentanten des Staates mochten Beamte und Bürokratie, letztend-
lich wohl der Staat selbst, in unserer Welt der ökonomischen Globalisierung so
manchen nicht mehr als zeitgemäß, mehr noch – störend erschienen sein. Die
Schattenseiten der weitgehenden Begrenzung, ja Eliminierung der Bürokratie
zeigten sich (wie in vormodernen Zeiten). Die „neuen“ Angestellten und „Bera-
ter“ im Staatsdienst waren der Aufgabe der objektiven Beratung im Sinne der Res
publica weniger (oder nicht) verpflichtet. Einige nahmen die persönlichen Vor-
teile wahr, nahe der Macht zu sein, und nützten das Gewaltmonopol des Staates
für ihre Zwecke – ihre Korruptionsanfälligkeit wurde traurige Wahrheit. Damit
litt die Glaubwürdigkeit ihrer politischen Herren sowie jene des Staates. In der
stagnierenden Wirtschaftssituation wurden die alarmierenden Anzeichen der De-
montage des Staates mit der schwindenden Einflussmöglichkeit der Politik offen-
bar. Und in allerjüngster Zeit, da sich die vielversprechenden Spekulationen auf
den nicht reglementierten Märkten als glitzernde Schimären erwiesen, wird der
Ruf nach stärkerer Reglementierung durch die Staatsmacht und nach einer da-
mit verbundenen Stärkung einer Staatsbürokratie unüberhörbar lauter. Im April-
heft des „Merkur“ 2012 erschien ein Artikel des Wirtschaftskorrespondenten der
„Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ in Berlin Ralph Bollmann mit dem
vielsagenden Titel „Lob der Bürokratie“. In Österreich meldete sich der Philo-
soph Rudolf Burger in einem Interview mit dem Redakteur Andreas Schwarz in
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Josephinische Mandarine
- Untertitel
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Autor
- Waltraud Heindl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 336
- Schlagwörter
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277