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Vorwort
der Tageszeitung „Kurier“ vom 15. April 2012 zu Wort. Bald danach (am 1. Mai)
berief sich der Chef
redakteur des „Kurier“ Helmut Brandstätter auf die Tradi-
tion des „josephinischen Beamten“. Der Schriftsteller und Kulturkritiker Robert
Menasse sang in der Wochenzeitung „Falter“ (am 16. Mai 2012) „Das Loblied
auf Brüssels Bürokraten“ der EU-Kommissionen. Er steigerte und begründete es
ausführlich in seinem kürzlich erschienenen Buch „Der europäische Landbote.
Die Wut des Bürgers und der Frieden Europas“. Die Beiträge weisen, jeder auf
seine Art, auf unverzichtbare Qualitäten der Bürokratie hin: auf ihre brillanten
Kompetenzen zur Krisenbewältigung durch gut technokratisch ausgebildete,
objektive Beamte (Bollmann), auf die bewährte Widerstandsmöglichkeit von
pragmatisierten Berufsbeamten gegen parteiliche Einflussnahme (Rudolf Bur-
ger), auf die Loyalität des „josephinischen Beamten“ gegenüber dem Staat und
nicht gegenüber einzelnen Parteien oder Politikern (Helmut Brandstätter), auf
die gelungene Bewältigung von alltäglichen Problemen durch Amt und Behörde
gegenüber anarchischen Ansprüchen neuer Bewegungen (Piraten) und manches
mehr. Ralph Bollmann schließt seine luzide Analyse über die Zusammenhänge
von Wirtschaft und Büro kratie mit der Feststellung, dass es keine stabile Demo-
kratie und keine funktionierende Marktwirtschaft ohne Bürokratie geben könne:
„Ohne Bürokratie“, so Bollmann, „ist weder politische noch wirtschaftliche Frei-
heit denkbar.“ Selbstverständlich gab es in der Vergangenheit Missbräuche durch
die traditionelle Staats-Bürokratie in reichlichstem Maß. Doch im Allgemeinen
ist die Hemmschwelle von Staatsbeamten vor Korruption und Bestechung, wie
sich zeigte, größer als die von Privatangestellten, Lobbyisten und Kurzzeitbera-
tern von Regierungsmitgliedern. Unkündbare Beamte waren (und die verbliebe-
nen sind es noch) durch ihre Möglichkeit der „straffreien“ Meinungsäußerung
dazu ausersehen, ein Korrektiv zu Politik und Machtmissbrauch zu bilden. Auf
diese Aufgabe leisteten sie immerhin den Eid auf den Staat. Für die Pflicht, ihre
Meinung zu äußern und den Gesetzen zu folgen, sind sie im Gegenzug durch
Pragmatisierung „geschützt“.
„Lob der Bürokratie“ hat also derzeit Konjunktur – offenbar ausgelöst von
der Schwäche, in der sich Politik und Wirtschaft befinden. Die künftigen Pro-
zesse werden spannend sein. Wird der Ruf nach einem geordneten Staat, der die
Märkte nicht zur Gänze ihrer Selbstregulierung überlässt, ernst genommen, dann
ist eine neuerliche Stärkung der Helfer des Staates, von Beamten und Bürokratie,
die nur dem Staat und dem Staatsvolk und nicht den Märkten, Parteien oder ein-
zelnen Ministern verpflichtet sind, unvermeidlich. Wir müssen deswegen keine
Ängste hegen und schlaflose Nächte verbringen. Es könnte auch sein, dass aus den
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Josephinische Mandarine
- Untertitel
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Autor
- Waltraud Heindl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 336
- Schlagwörter
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277