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I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche
chen des Stillstands ab. In der Periode der eigentlichen Entwicklung unter Jo-
seph II. können wir von einer stürmischen Zeit sprechen, in der erst Maßstäbe
gesetzt und die moderne Institution ausgebildet wurden. Es folgte eine Periode
der Erstarrung.10 Nach der Revolution von 1848 und ihren gewaltigen bürokrati-
schen Folgen setzte nach 1867 eine lange Periode der (mit wenigen Ausnahmen)
leisen, wenig spektakulären Veränderungen ein, wobei die Gewichte – anders als
100 Jahre zuvor – nur langsam verschoben wurden.
Eine Periodisierung der Geschichte der Bürokratie von 1848 bis 1914 muss sich
nach den sich ändernden Problemstellungen und den jeweils großen Themen-
schwerpunkten richten. Die nach außen hin große Zäsur, die jedoch hinsichtlich
der Bürokratie zunächst keinen gewaltigen Wechsel für die Beamtenwelt mit sich
brachte, ist zweifelsohne die Einführung des Verfassungsstaates 1867. Daher wird in
diesem Buch eine Dreiteilung vorgenommen: Die Revolution von 1848 mit ihren
neuen Vorstellungen bezüglich der Gestaltung der Bürokratie und der entsprechen-
den Durchführung bildet einen eigenen Hauptteil. Die Zeit des Neoabsolutismus
in den 1850er-Jahren mit den einschneidenden Verwaltungs- und Bürokratierefor-
men und der Epoche der ersten Verfassungsexperimente in der Periode 1860/1861
bis 1867, die nicht nur „neoabsolutistische“, sondern auch starke „nachabsolutis-
tische Züge“ tragen, wird in einem zweiten Hauptteil behandelt. Ebenso die lange
konstitutionelle Periode von 1867 bis 1914. Im Verfassungsstaat änderten sich so-
wohl die Rahmenbedingungen als auch die Rolle der Bürokratie. Einen gewaltige-
ren Wandel politischer, nationaler sowie sozial-kultureller Natur brachten freilich
erst die nationalen Bewegungen und das Aufkommen der Massenparteien ab den
1890er-Jahren, die an der Bürokratie nicht spurlos vorübergehen konnten und für
sie neue Probleme aufwarfen. Neu zu diesem Zeitpunkt war der verstärkte Eintritt
von Frauen in die – das sei hinzugefügt – niederen Sphären des Staatsdienstes, ohne
dass die Mehrzahl von ihnen wirklichen Beamtenstatus erlangt hätte. Das Los der
Frauen im Staatsdienst zeigt deutlich das Fließende der Grenzen zwischen Staats-
dienst im Allgemeinen und Beamtentum im Besonderen, das eine besondere Bin-
dung an den Staatsdienst darstellte. Das „Oben“ und das „Unten“, die Macht und
die Ohnmacht innerhalb der bürokratischen Institutionen kommen hier deutlich
zum Ausdruck. Die neue, noch ungewohnte Kollegin wird in die Studie mit einbe-
zogen – als aufschlussreicher Kontrapunkt zu den bürokratischen Eliten.
10 Vgl. HEINDL, Gehorsame Rebellen, S. 54–64; WALTRAUD HEINDL, Bureaucracy, Offcials,
and the State in the Austrian Monarchy: Stages of Change since the Eighteenth Century. In:
Austrian History �earbook 37 (2006), S. 35–57.
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Josephinische Mandarine
- Untertitel
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Autor
- Waltraud Heindl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 336
- Schlagwörter
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277