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3. Definitionen, Details und Daten
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monarchischen Bürokratie. Friedländer fährt mit seinem Entwurf eines Sozio-
gramms fort: „Wenn man einmal ein Beamter ist, dann kann man leicht ein Snob
sein, da gehört man ohne Zweifel zur Herrenklasse. Und wenn man als Beam-
ter arm ist, muss man sich nicht genieren, denn Armut ist für den Beamten nur
ehrenvoll.“15 Die Idealisierung mag nostalgischen Gefühlen entsprungen sein,
dennoch umreißt sie idealtypisch das Bild der gesellschaftlichen Position der hö-
heren kaiserlich-österreichischen Staatsbeamten als – unabhängig von Einkom-
men und materiellem Wohlstand – prestige- und einflussreiche, machtvolle Elite,
eine Darstellung, wie sie uns, wie erwähnt, in manchen Kunstprodukten entge-
gentritt.
Der Frage, wieweit dieser Topos aber auch der historischen Wirklichkeit ent-
spricht, ist, wie gesagt, nicht einfach auf die Spur zu kommen, denn abgesehen
von den üblichen Kategorien der historischen Quellenkritik, die hinsichtlich pri-
vater Aufzeichnungen noch viel strenger zu gelten haben – das Beamtentum ist
äußerst vielschichtig. Allein der Begriff Bürokratie ist doppeldeutig: Das Wort
bezeichnet die Institution, den Apparat, gleichzeitig meint der Begriff aber auch
die Gruppe der Beamten, die diese Institution ausmachen. Diese beiden Faktoren
sind voneinander nicht zu trennen. Die Gruppe der Beamten wurde von „ihrem“
Apparat geprägt und veränderte diesen wiederum in einem ununterbrochenen
Prozess. Vorausschickend sei festgestellt, dass im Folgenden von Beamten und
Bürokratie ausschließlich in Gestalt der Staatsbürokratie die Rede ist. Der Typ
des Privatbeamten, der sich gerade in der Periode der zweiten Hälfte des 19.
Jahr-
hunderts sehr stark nach dem Vorbild des Staatsbeamten entwickelte, bleibt aus-
geklammert.
Unter dem Stichwort Bürokratie stellt sich vermutlich jede Person etwas ande-
res vor. Für gewöhnlich tritt das staatsbürgerliche Publikum mit der Bürokratie
in reale soziale Kommunikation, wenn es mit unangenehmen Finanzbeamten,
unbeugsamen Polizisten oder streng schnüffelnden Zollbeamten, also mit staat-
licher Kontrolle, zu tun hat. Diese Erfahrungen mit staatlichen Eingriffen, Beob-
achtungen und Zensur werden als höchst unangenehm empfunden. Nur selten
kommt das sogenannte Volk mit gebildeten, kreativen Beamten, also mit Beam-
teneliten, in Kontakt. Das Bild, das uns von der Staatsbürokratie in den (Bou-
levard-)Medien entgegentritt und das die öffentliche Meinung prägt, verbessert
nicht das Image der Beamten. Auffallend ist: Die Institution Bürokratie wird fast
15 OTTO FRIEDLÄNDER, Letzter Glanz der Märchenstadt. Das war Wien um 1900 (= Aus-
triaca, Wien/München 1969), S. 74.
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Josephinische Mandarine
- Untertitel
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Autor
- Waltraud Heindl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 336
- Schlagwörter
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277