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III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment
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bunden war. Nicht zuletzt auch durch die Tatsache, dass der Statthalter persön-
lich der Stellvertreter des „Ah. Landesfürsten“ zu sein hatte. Die Zentralisierung
war perfekt. Damit waren die Länder im Übrigen als getreuliches Spiegelbild der
Machtstrukturen des Reiches konstruiert, an dessen Spitze der Kaiser stand, der
Innenminister konnte nun als oberster Verwaltungsherr der Länder gelten. Die
Zeitgenossen äußerten sich besorgt: Kollege Justizminister Karl Krauss bezeich-
nete die Statthalter als Bachs „eigene Polizei“76. Die vorrangige Position der Statt-
halter blieb bis zum Ende der Monarchie weitgehend erhalten.
Noch näher trat die geballte Staatsgewalt dem „Volk“ im neu geschaffenen Be-
zirksamt entgegen, in dem die von Stadion geschaffene Bezirkshauptmannschaft
und das Bezirksgericht vereint war (mit Ausnahme des lombardo-venetianischen
Königreichs, wo die Trennung bereits traditionell aus der Napoleonischen Zeit
stammte). Eduard Bach, Statthalter von Oberösterreich und Bruder des Innenmi-
nisters, demonstrierte, dass er die Bedeutung, die dieser neuen Behörde nun zuteil
wurde, voll mittrug: „Im Wesen der politischen Verwaltung spielt sich die ganze
Welt innerhalb des Rahmens ab, den das Gebiet des Amtsbezirks bildet, es be-
gleitet den Menschen von der Wiege bis zum Grab.“ Dem Bezirksamt wies er die
Aufgabe zu, die „Bedürfnisse der Bewohner“ sowie die „Wohlfahrt aller Schichten
der Bevölkerung“ wahrzunehmen – nicht zuletzt „zur Stärke der Regierung, zur
Befestigung der Sicherheit, Einheit und Macht des Staates“ beizutragen.77 Zentra-
listisches staatliches Machtdenken sowie wohlfahrtsstaatliche (josephinische) Vor-
stellungen, die Fundamente österreichischer Staatlichkeit, könnten nicht besser
ausgedrückt werden.
Es war eine das gesamte Leben der Menschen umfassende Machtfülle, die die
Statthalterei und das ihr untergeordnete Bezirksamt übertragen bekam. Primär
war es Bach und der Regierung im Sinne der Reichsverfassung vom 4. März 1849
um die unbedingte Gleichschaltung der Königreiche und Länder, von Nord nach
Süd, von West nach Ost zu tun, wobei bekanntlich Ungarn und Siebenbürgen
sowie Lombardo-Venetien besondere Problemfelder darstellten. Man behalf sich
zunächst mit der Bürokratie: Nach Ungarn und Siebenbürgen wurden Beamte
76 Nach JOSEPH KARL MA�R (Hg.), Das Tagebuch des Polizeiministers Kempen von 1848–1859
(Wien/Leipzig 1931), S. 310.
77 Statthalter Eduard Bach an Innenminister Alexander Bach vom 26. 5. 1853 „Vorschläge der Or-
ganisierungslandeskommission betreffend die Bestimmung der Bezirke und Bezirksbehörden“,
OBERÖSTERREICHISCHES LANDESARCHIV, Archiv der Statthalterei, Karton 784, Org.
Präs. 15/1853. (Aktenzahl Präs. 1655/1853); auch HEINDL, Bürokratie und Verwaltung im Neo-
absolutismus, S. 237 f.
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Josephinische Mandarine
- Untertitel
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Autor
- Waltraud Heindl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 336
- Schlagwörter
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277