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III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment
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erfassen“ und „mit dem Volk und in dessen Vertrauen […] leben und bei ihm das
gerechtfertigte Uibergewicht der Einsicht, Bildung und Unbescholtenheit“ ge-
winnen. Sie dürften daher „nicht in starrer Abgeschlossenheit von dem Bürgert-
hume“ wirken. Das Beamtentum nehme den „Posten des öffentlichen Vertrauens
und Wirkens ein“ – nicht einen der Versorgung –, schärfte Bach den Staatsdie-
nern ein, und es hätte überdies eine „viel selbständigere“ und daher verantwort-
lichere Stellung als früher. Voraussetzung sei, in den einzelnen Regionen „die
Gleichberechtigung aller Nationen“ zu achten, die Landessprachen zu kennen
und eine sorgfältige Auswahl der richtigen Beamten, nämlich „nur Männer von
erprobtem Charakter“, vorzunehmen. Im Gegenzug versprach Bach, „dass der
Beamte anständig dotirt und von der Willkür der Vorgesetzten geschützt“ werde
und „dem Eifrigen und Verdienstvollen“ die gebührende Anerkennung eines gu-
ten Beamten, der überdies „gesetzlich begründete und wohlverdiente Ansprüche
auf Stabilität und Ruhegenüsse“ erhalten und hinsichtlich seiner „Zukunft außer
Besorgnis gesetzt“ würde. „Dem Fahrlässigen und Pflichtvergessenen“ aber wurde
die strengste Behandlung in Aussicht gestellt.
Gleichzeitig teilte Bach in seinem Rundschreiben den „Landeschefs“ (Statthal-
tern), die – so Bach – in ihrer Autorität sehr gewachsen wären, sein eigentliches
Grundanliegen mit: Er distanzierte sich klar von dem im Kremsierer Verfassungs-
entwurf festgelegten Grundsatz der Volkssouveränität, nach der „alle Staatsgewalt
vom Volk ausgehe, und bekannte sich zum monarchischen Recht, das in Öster-
reich weiterhin „die unveräußerliche Quelle der obersten Gewalt“ sei. Auf diesem
Weg mögen die höchsten Beamten der Königreiche und Länder und die ihnen
unterstellten Beamten, so Bach eindringlich, ihm (und den Absichten des Kaisers)
folgen. Merkwürdig nimmt sich die Aufforderung aus, dass die Beamten durch
das Vorangehen auf dieser „konstitutionellen Bahn“ der Bevölkerung ein Vorbild
sein sollten, um damit – in Anspielung auf die Revolution – beizutragen, das ge-
schwächte Vertrauen „in die lebensvolle Kraft freier Institutionen“ wieder zu heben
und zu fördern.88 Ob die Beamten, von denen – wie erinnerlich – nicht wenige
(so wie auch ihr oberster Chef Bach selbst) anfangs die Forderung nach konstitu-
tionellen Institutionen der Revolution unterstützt hatten, nicht die Vorspiegelung
falscher Tatsachen bemerkt haben sollten? Sie werden jedenfalls die sorgfältig be-
mäntelte Warnung verstanden haben, dass von Beamten Loyalität zu dem System,
dem sie nun dienten, als erste Beamtentugend verlangt wurde, gleich ob sie in Wi-
derspruch dazu gestanden waren (und innerlich immer noch standen) oder nicht.
88 WALTER, Zentralverwaltung III/2, S. 109.
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Josephinische Mandarine
- Untertitel
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Autor
- Waltraud Heindl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 336
- Schlagwörter
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277