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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
Seite - 58 -
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III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 58 Die Praxis dürfte freilich anders ausgesehen haben. Warum sonst hätte man es für nötig gehalten, nach dem Abgang Bachs als Innenminister (1859) wiede- rum Maßnahmen zur Disziplinierung der Beamten zu ergreifen? 1860 erfolgte die kaiserliche Verordnung, die „die Disziplinarbehandlung der k. k. Beamten und Diener“ regelte91 und im Großen und Ganzen nichts anderes als die Disziplinar- strafen für Verstöße festsetzte: Rüge, Verweis, Geldstrafe, Entziehung der gradu- ellen Vorrückung, strafweise Versetzung und Entlassung. Die Handhabung im Alltag dürfte allerdings eher locker gewesen sein. Doch war die Absicht klar: Die Beamten sollten an die Kandare genommen werden – und nicht nur sie, sondern auch ihre gesamte Familie haftete bei Verstoß gegen gesellschaftliche Normen ei- nes ihrer Mitglieder. Zum Beispiel wurde bei Ehebruch der Frau oder der Straftat eines Kindes der Beamte als Pater familias zur Rechenschaft gezogen und eventu- ell versetzt.92 Diese Bestimmungen blieben bis zur Dienstpragmatik von 1914 in der Disziplinarordnung – teilweise wiederholt, teilweise gemildert – in Kraft. Dass der Beamte über den Tod hinaus dem Staat verpflichtet war, zeigt das Strafgesetz von 1852. Es eliminierte zwar die Bestimmung des Strafgesetzes von 1803, die bei Selbstmord eines Beamten (katholischen Vorstellungen folgend, die Suizid als schwere Sünde einstuften) die ohnehin genügend gestraften Witwen und Waisen durch Pensionsentzug weiter büßen ließ. Doch gleichzeitig wurde eine säkulare Begründung für die gleiche Strategie gefunden, die gesamte Familie in Haft zu nehmen. Es wurde nämlich festgesetzt, dass Selbstmord als „freiwillige Dienstesentsagung“ anzusehen sei, daher der Staat keine Pension an die Hinter- bliebenen zu zahlen habe.93 Ob in den neoabsolutistischen Jahren jenen Beamten, die den Liberalismus 1848 ersehnt hatten, der von ihnen geforderte unbedingte Gehorsam schwerge- fallen war? Das neoabsolutistische System zeigte sich von der härtesten Seite. Sein Kurs war geprägt von Gesetzen, die frühere Gesetze aufhoben, vor allem jene, bei denen es um bürgerliche Freiheiten ging, Gesetze, die die Beschränkung der Gemeindeautonomie, die Unterbindung von Neuwahlen in die Gemeindevertre- tungen und in die Landtage aussprachen, die zu Verboten von Vereinen und zur Verhinderung einer freien Presse führten.94 91 Vgl. Kaiserliche Verordnung vom 10. März 1860, über die Disciplinarbehandlung der k. k. Be- amten und Diener, RGBL. Nr. 64/1860. 92 MEGNER, Beamte, S. 136. 93 Erlass des Finanzministeriums vom 30. August 1852, RGBL. Nr. 172/1852. 94 Dazu ausführlich EDUARD WINTER, Revolution, Neoabsolutismus und Liberalismus in der Donaumonarchie (Wien 1969), S. 77–86.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Josephinische Mandarine
Untertitel
Bürokratie und Beamte in Österreich
Autor
Waltraud Heindl
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
336
Schlagwörter
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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