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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 64 wie eine Reihe von Delegaten ausgetauscht.114 Alle Beamten wurden durch die Polizei streng überwacht, da, wie erinnerlich, die Posten sowohl in der Provinzi- alverwaltung wie auch in den Distriktskommissariaten mehrheitlich von italie- nischen Beamten besetzt waren. Man trug damit der italienischen Bevölkerung Rechnung, die ihre Konationalen viel eher akzeptierte als Beamte aus dem übri- gen Österreich. Obwohl diese italienischen Staatsdiener als Austriacanti galten, d. h. als bekannt nicht regierungsfeindlich, misstrauten ihnen die Polizeibehör- den grundsätzlich. Bei den Hochverratsprozessen, die geführt wurden, befanden sich unter den Angeklagten auch hohe Beamte, deren Vergehen in den Augen der österreichischen Behörden recht massiv eingeschätzt werden mussten. Der 65-jährige Beamte des Oberlandesgerichts Giovanni Battista Corà aus Venedig, Mitglied einer geheimen Gesellschaft, der aufgrund seiner Aktenkenntnisse die Aufgabe hatte, Polizeispione auszuspionieren und in Venetien eine Untergrundar- mee aufzubauen, wurde in dem Hochverratsprozess, der gegen diese geheime Ge- sellschaft 1863 geführt wurde, zu einer vierjährigen Kerkerstrafe und zum Entzug der Pension verurteilt (in erster Instanz war allerdings eine achtjährige Haft ver- hängt worden). An diesem Beispiel und anhand anderer Hochverratsprozesse und der Prozesse wegen staatsfeindlichen Agitationen in Venetien zwischen 1859 und 1866115 wird deutlich, dass die Gerichte und das Justizministerium bemüht waren, rechtsstaatliche Normen zu wahren, faire Prozesse zu führen und milde Urteile zu fällen. Es wurden zum Beispiel – im Gegensatz zu den ungarischen Gerichtspro- zessen – kein einziges Todesurteil gefällt, die Haftstrafen wurden bald reduziert beziehungsweise aufgehoben – ein Indiz, dass sich unter Staatsminister Schmer- ling mehr Rechtsstaatlichkeit und Toleranz durchgesetzt hatte. Zum Missfallen allerdings der Polizei- und Zivilbehörden Venetiens. Der Statthalter von Venedig Georg Ritter von Toggenburg (1860–1866) zeigte den „Staatsfeinden“ gegenüber äußerste Härte. Er widersetzte sich anfangs sogar heftig den von Staatsminister Schmerling und der Wiener Regierung gewünschten Maßnahmen, die etwas mehr rechtsstaatlichen Normen entsprachen, die man den in der ganzen Mo- narchie verteilten italienischen Verhafteten und Konfinierten angedeihen lassen wollte.116 Die Statthalterei fand noch andere Maßnahmen, die Tendenzen der Re- gierung zu unterlaufen. Sie brachte der antiösterreichischen Agitation verdächtige 114 GOTTSMANN, Venetien, S. 31–40, 46 und 51. 115 Genau dokumentiert bei GOTTSMANN, Venetien, S. 442–451. 116 Bei GOTTSMANN, Venetien 395, zur Haltung der Statthalterei S. 409 und 450, der Fall Ruf- foni S. 399 f.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Josephinische Mandarine
Untertitel
Bürokratie und Beamte in Österreich
Autor
Waltraud Heindl
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
336
Schlagwörter
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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