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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 97 rede stimmten, versetzte sie der Kaiser umgehend in den Ruhestand.29 Damit war klargestellt: Die Verantwortlichkeit des freien Mandatars wog für den Souverän weniger als die Pflicht des Beamten, der dem Kaiser (und seiner Regierung) Erge- benheit, Gehorsam und Loyalität schuldete. Auch später noch griff der Kaiser per- sönlich mehrmals massiv in die staatsbürgerlichen Rechte der Beamten ein.30 Die Ministerpräsidenten und ihre Regierungen folgten im Allgemeinen dem Kaiser, vom dem sie (und nicht vom Parlament) eingesetzt waren – und ihrer jeweiligen Parteilinie, von der die Behandlung abhing, die sie Beamtenfragen zuteilwerden ließen. Die Konflikte zwischen Regierung und Parlament ergaben sich immer wie- der aus den Disziplinierungen von Beamten. Das Problem der Beamten, ihrer Zuordnung und ihrer Gehälter wurde in al- ler Schärfe besonders in der frühen konstitutionellen Ära während der liberalen Regierung der 1870er-Jahre eine Frage der andauernden Konkurrenz von Kaiser und Parlament. Die Liberalen waren gemäß ihrer Ideologie nicht sehr bürokra- tiefreundlich gesinnt – galt diese doch als Vertreterin des „Leviathans“ Staat – doch es stellte sich bald heraus, dass durchaus eine Reihe gemeinsamer Interessen existierte, die die Beamten der liberalen Honoratiorenpartei attraktiv erscheinen ließen. Weltanschaulich galten die Beamten im Verfassungsstaat nicht anders als im Neoabsolutismus mehrheitlich als liberal und reformerisch gesinnt. Sozial hat- ten die bürgerlichen Beamten innerhalb des bürokratischen Apparates, in dem der Anteil des Hochadels nur mehr ein bis zwei Prozent – in den höchsten Rängen – betrug,31 längst die Oberhand. Sie trafen sich daher zunächst in so manchen Fragen mit der Mehrheitspartei der liberalen Ära. Vor allem bot die Verfassungs- diskussion eine gemeinsame Interessenbasis. Das Staatsgrundgesetz sicherte der Reichsgesetzgebung durch den Reichsrat die Dominanz über die Landesgesetzge- bung der einzelnen Landtage der Königreiche und Länder.32 Die Politik der Libe- ralen war starr und unnachgiebig auf die Erhaltung des Zentralismus ausgerichtet – in der nicht unberechtigten Annahme, zentralistische Strukturen würden den deutschsprachigen Eliten in der Monarchie die Vorherrschaft sichern. Den Be- amteneliten, allein schon aufgrund von Beruf, Erziehung und Tradition politisch dem zentralistischen Denken verhaftet, versprachen diese Strukturen zweifelsohne in der Praxis die altgewohnte, einfachere Handhabung des Dienstes, zudem kul- 29 GOLDINGER, Wiener Hochbürokratie, S. 317; HEINDL, Zum cisleithanischen Beamtentum, S. 1175. 30 Siehe Kapitel „Parteipolitische Konflikte“. 31 STIMMER, Eliten in Österreich 1, S. 406. 32 Siehe dazu den Exkurs von BERNATZIK, Verfassungsgesetze, S. 409–412.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Josephinische Mandarine
Untertitel
Bürokratie und Beamte in Österreich
Autor
Waltraud Heindl
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
336
Schlagwörter
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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